Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Aber es ist wegen der Träume.«
»Was ist damit?«
»Darin passieren schlimme Dinge – das macht mich doch nicht zu einem bösen Menschen.« Er kauert auf der Stuhlkante, während sein Blick von links nach rechts zuckt. »Da ist ein Mädchen in einem roten Kleid. Sie taucht immer auf, wenn ich sie nicht erwarte.«
»In deinem Traum?«
»Ja. Sie sieht mich an – direkt durch mich hindurch, als würde ich gar nicht existieren. Sie lacht.«
Er reißt die Augen auf, und sein Tonfall verändert sich. Er dreht sich in seinem Stuhl um, presst die Lippen aufeinander und kreuzt die Beine. Ich höre eine strenge Frauenstimme.
»Also, Bobby, und keine Lügen!«
»Ich bin kein Plappermaul.«
»Hat er dich angefasst oder nicht?«
»Nein.«
»Das ist nicht die Antwort, die Mr. Erskine hören will.«
»Zwing mich nicht, es zu sagen.«
»Wir wollen doch nicht Mr. Erskines Zeit verschwenden. Er ist den weiten Weg hergekommen – «
»Ich weiß, warum er gekommen ist.«
»Bitte nicht in diesem Ton, mein Schatz. Das ist nicht sehr nett.«
Bobby schiebt seine großen Hände in die Taschen und stampft mit den Füßen auf den Boden. Das Kinn an die Brust gepresst spricht er ängstlich flüsternd weiter.
»Zwing mich nicht, es zu sagen.«
»Sag es ihm einfach und dann können wir zu Abend essen.«
»Bitte zwing mich nicht zu sagen…«
Er schüttelt den Kopf, und sein ganzer Körper bewegt sich mit. Als er den Blick zu mir hebt, flackert darin ein Hauch von Erkenntnis auf.
»Wussten Sie, dass die Hoden eines Blauwals so groß sind wie ein VW-Käfer?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Ich mag Wale. Sie sind leicht zu zeichnen und zu schnitzen.«
»Wer ist Mr. Erskine?«
»Sollte ich ihn kennen?«
»Du hast seinen Namen erwähnt.«
Er schüttelt den Kopf und sieht mich argwöhnisch an.
»Ist es jemand, den du irgendwann mal getroffen hast?«
»Ich wurde in einer Welt geboren. Jetzt stecke ich bis zur Hüfte in einer anderen fest.«
»Was soll das heißen?«
»Ich musste die Dinge zusammenhalten, die Dinge zusammenhalten. «
Er hört mir nicht zu. Sein Verstand bewegt sich zu schnell, um mehr als ein paar Sekunden bei einem Thema zu bleiben.
»Du hast mir von deinem Traum erzählt… von einem Mädchen in einem roten Kleid. Wer ist sie?«
»Bloß ein Mädchen.«
»Kennst du sie?«
»Ihre Arme sind nackt. Sie hebt sie und streicht mit den Fingern durch die Luft. Ich sehe die Narben.«
»Wie sehen die Narben aus?«
»Das ist doch egal.«
»Nein, ist es nicht!«
Bobby legt den Kopf zur Seite und fährt mit dem Finger über die Innenseite seines Hemdsärmels, vom Ellenbogen zum Handgelenk. Dann sieht er mich wieder an. Sein Blick ist ausdruckslos. Spricht er von Catherine McBride?
»Woher hat sie die Narben denn?«
»Sie hat sich selbst geschnitten.«
»Woher weißt du das?«
»Das machen viele.« Bobby knöpft seinen linken Hemdsärmel auf und krempelt ihn langsam hoch. Dann präsentiert er
mir mit offener Handfläche seinen Unterarm. Die dünnen weißen Narben sind blass, aber unverkennbar. »Sie sind wie ein Ehrenabzeichen«, flüstert er.
»Bobby, hör mir zu.« Ich beuge mich vor. »Was passiert mit dem Mädchen in deinem Traum?«
Panik erfüllt seinen Blick wie ein steigendes Fieber. »Das weiß ich nicht mehr.«
»Kennst du das Mädchen?«
Er schüttelt den Kopf.
»Welche Haarfarbe hat sie?«
»Braun.«
»Und welche Augenfarbe?«
Er zuckt die Achseln.
»Du hast gesagt, dass du in deinen Träumen Menschen wehtust. Ist das Mädchen verletzt worden?«
Die Frage ist zu direkt und konfrontativ. Er blinzelt argwöhnisch. »Warum starren Sie mich so an? Zeichnen Sie das Gespräch auf? Stehlen Sie mir meine Worte?« Er blickt von links nach rechts.
»Nein.«
»Und warum starren Sie mich dann so an?«
Dann wird mir klar, dass er von dem »Maskengesicht« spricht. Jock hatte mich vor der Möglichkeit gewarnt. Mein Gesicht kann vollkommen reaktions- und ausdruckslos werden wie eine Statue von den Osterinseln.
Ich wende mich ab und versuche neu anzusetzen, aber Bobbys Gedanken sind schon weitergehetzt.
»Wussten Sie, dass 1961 auf dem Kopf stehend geschrieben auch 1961 ergibt?«, fragt er.
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Das wird erst 6009 wieder der Fall sein.«
»Ich muss mehr über deinen Traum wissen, Bobby.«
» No comprenderas todavia lo que comprenderas en el futuro .«
»Was bedeutet das?«
»Das ist Spanisch. Noch verstehst du nicht, was du am Ende verstehen wirst.« Er
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