Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
klinische Beziehung ist. Was in Gottes Namen habe ich mir bloß dabei gedacht? Ich habe ihn aufgezogen wie ein Spielzeug und jetzt muss ich ihn loslassen.
22
Der weiße Audi gleitet die Elgin Avenue hinunter und bremst, als er mich sieht. Ich humpele weiter, meinen Tennisschläger unter den Arm geklemmt und einen pampelmusengroßen Bluterguss auf dem rechten Oberschenkel. Hinter dem Steuer des Wagens sitzt Ruiz. Er sieht aus wie ein Mann, der mich zur Not im Schritttempo bis vor meine Haustür verfolgen würde.
Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er öffnet die Beifahrertür. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Eine Sportverletzung.«
»Ich wusste gar nicht, dass Tennis so gefährlich ist.«
»Sie haben auch noch nicht gegen meinen Kumpel gespielt.«
Ich steige neben ihm ein. Der Wagen riecht nach abgestandenem Zigarettenqualm und einem Raumdeo mit Apfelaroma. Ruiz wendet mitten auf der Straße.
»Wohin fahren wir?«
»Zum Tatort.«
Ich frage nicht, warum. Sein ganzes Gebaren sagt mir, dass ich keine andere Wahl habe. Die Temperaturen sind bis knapp über den Gefrierpunkt gefallen und die Laternen von Nebel umhüllt. In den Fenstern der Häuser blinken bunte Lichter, die Türen sind mit Stechpalmenzweigen aus Plastik dekoriert.
Wir fahren über die Harrow Road und biegen in die Scrubs Lane. Nach einer knappen halben Meile steigt die Straße an und führt über die Mitre Bridge, die den Grand Union Canal und die Eisenbahnlinie nach Paddington überquert. Ruiz hält am Straßenrand und schaltet den Motor ab. Er steigt aus und wartet auf mich. Dann betätigt er die Zentralverriegelung und marschiert los, davon ausgehend, dass ich ihm folgen werde. Mein Oberschenkel ist immer noch steif von Jocks gezieltem Schmetterball. Ich reibe vorsichtig über die Schwellung und humpele an der Straße entlang Richtung Brücke.
Ruiz ist vor einem Stacheldrahtzaun stehen geblieben. Er packt einen Metallpfosten und schwingt sich auf eine Mauer bei der Brücke. Dann hangelt er sich auf der anderen Seite wieder herunter. Er dreht sich um und wartet auf mich.
Der Treidelpfad ist menschenleer, die nahe gelegenen Gebäude dunkel und leer. Es fühlt sich später an, als es ist – wie in den frühen Morgenstunden, wenn die Welt immer so viel einsamer und das Bett so viel wärmer erscheint.
Ruiz geht die Hände in den Manteltaschen vergraben und den Kopf gesenkt voran. Er wirkt, als würde er eine große Wut unterdrücken. Nach etwa fünfhundert Metern tauchen rechts die Eisenbahngleise auf. In dem verbliebenen Licht zeichnen sich Geräteschuppen vor dem Hintergrund ab. Betriebsmittel lagern vergessen auf einem Hof.
Fast ohne jede Vorwarnung donnert ein Güterzug vorbei. Das Geräusch hallt von den Blechschuppen und Steinmauern des Kanals wider, sodass es sich anfühlt, als stünden wir in einem Tunnel.
Ruiz ist unvermittelt stehen geblieben, sodass ich ihn beinahe anrempele.
»Erkennen Sie irgendwas?«
Ich weiß genau, wo wir sind. Doch statt Entsetzen oder Trauer empfinde ich nur Zorn. Es ist spät, mir ist kalt und vor allem habe ich die Nase voll von Ruiz’ höhnischen Blicken und hoch gezogenen Brauen. Wenn er etwas zu sagen hat, soll er es hinter sich bringen und mich nach Hause gehen lassen.
»Sie haben die Fotos gesehen.«
»Ja.«
Ruiz hebt den Arm, und einen Moment lang denke ich, er will mich schlagen. »Schauen Sie da drüben. Folgen Sie den Umrissen des Gebäudes da unten.«
Ich wende den Blick in die Richtung und erkenne die Mauer. Ein dunklerer Flecken davor muss die Grube sein, in der man die Leiche gefunden hat. Links hinter mir sehe ich die Bäume
und Grabsteine des Kensal-Green-Friedhofs. Ich erinnere mich daran, wie ich auf der Hügelkuppe gestanden und beobachtet habe, wie die Polizei Catherines Leiche geborgen hat.
»Warum bin ich hier?«, frage ich und fühle mich leer.
»Benutzen Sie Ihre Fantasie – darin sind Sie doch gut.«
Er ist wütend, und aus irgendeinem Grund ist es meine Schuld. Ich treffe nicht oft Menschen von seiner Intensität – mal abgesehen von den zwanghaften Patienten. In der Schule kannte ich Typen wie ihn, Kinder, die so wild entschlossen waren zu beweisen, dass sie harte Jungs waren, dass sie sich immer prügelten. Sie mussten einfach zu viel beweisen und hatten zu wenig Zeit.
»Warum bin ich hier?«
»Weil ich Ihnen ein paar Fragen stellen will.« Er sieht mich nicht an. »Außerdem möchte ich Ihnen ein paar Dinge über Bobby Moran erzählen.«
»Ich kann
Weitere Kostenlose Bücher