Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
nicht über meine Patienten sprechen.«
»Sie müssen auch bloß zuhören.« Er wiegt sich von einem Fuß auf den anderen. »Glauben Sie mir, Sie werden fasziniert sein.« Er macht zwei Schritte auf den Kanal zu und spuckt ins Wasser. »Bobby Moran hat keine Freundin oder Verlobte namens Arky. Er lebt mit einem Haufen Asylbewerber in einer Pension im Norden Londons und wartet auf eine Sozialwohnung. Er ist seit fast zwei Jahren arbeitslos. Eine Firma namens Nevaspring gibt es nicht – jedenfalls ist sie nicht ins Handelsregister eingetragen.
Sein Vater war nie bei der Air Force – nicht als Mechaniker, nicht als Pilot und auch als sonst nichts. Bobby ist in Liverpool aufgewachsen, nicht in London. Mit fünfzehn ist er von der Schule abgegangen. Er hat phasenweise die Abendschule besucht und als Freiwilliger in einer Sozialwerkstatt gearbeitet. Eine Vorgeschichte von psychischen Erkrankungen oder Klinikaufenthalten haben wir nicht gefunden.«
Ruiz läuft beim Reden auf und ab. Er zieht seinen beschlagenen
Atem hinter sich her wie eine Lokomotive. »Die Leute hatten nur nette Sachen über Bobby zu sagen. Laut seiner Vermieterin ist er sehr korrekt und ordentlich. Sie macht seine Wäsche und kann sich nicht erinnern, irgendwann einmal Chloroform an seiner Kleidung gerochen zu haben. Sein früherer Chef in der Sozialwerkstatt nannte ihn einen ›großen Softie‹.
Und das finde ich wirklich seltsam, Professor. Nichts von dem, was Sie über ihn gesagt haben, stimmt. Ich kann verstehen, dass man sich in ein oder zwei Details irrt. Wir machen alle Fehler. Aber hier ist es so, als ob wir über einen vollkommen anderen Menschen sprechen würden.«
»Das kann er nicht sein«, sage ich mit heiserer Stimme.
»Das habe ich auch gedacht. Also habe ich nachgesehen. Großer Typ, 1,85, übergewichtig, John-Lennon-Brille – das ist unser Junge. Dann habe ich mich gefragt, warum er einem Psychiater, der ihm helfen will, all diese Lügen erzählt. Ergibt keinen Sinn, oder?«
»Er verbirgt irgendwas.«
»Mag sein. Aber er hat Catherine McBride nicht getötet.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Ein Dutzend Leute aus einem Abendkurs können bezeugen, an dem Abend ihres Verschwindens mit ihm zusammen gewesen zu sein.«
Ich habe keine Kraft mehr in den Beinen.
»Manchmal schalte ich ziemlich langsam, Prof. Meine alte Mum hat immer gesagt, dass ich einen Tag zu spät geboren wurde und nie mehr aufgeholt hätte. Tatsache ist aber, dass ich am Ende draufkomme. Ich brauche bloß ein bisschen länger als die schlauen Leute.« Wie er es sagt, klingt es nicht triumphierend, sondern verbittert.
»Sehen Sie, ich habe mich gefragt, warum Bobby Moran sich all diese Lügen ausdenken sollte. Dann habe ich gedacht, und was ist, wenn er das gar nicht getan hat? Was, wenn Sie die Lügen
erzählen? Sie könnten sich das Ganze ausgedacht haben, um meine Aufmerksamkeit abzulenken.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Woher wussten Sie, dass Catherine McBride sich die Halsschlagader aufgeschnitten hat, um ihren Tod zu beschleunigen? Es wurde im Obduktionsbericht nicht erwähnt.«
»Ich habe Medizin studiert.«
»Und was ist mit dem Chloroform?«
»Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
»Ja, haben Sie. Ich habe auch nachgeschlagen. Wussten Sie, dass man nur ein paar Tropfen Chloroform auf einem Stück Stoff braucht, um jemanden bewusstlos zu machen? Man muss wissen, was man tut, wenn man mit dem Zeug herumhantiert. Ein paar Tropfen zu viel, und die Atmung des Opfers setzt aus. Es erstickt.«
»Der Mörder hat also wahrscheinlich medizinische Kenntnisse. «
»Darauf bin ich auch gekommen.« Um warm zu bleiben, stampft Ruiz mit den Füßen auf den Asphalt. Eine streunende Katze, die an dem Stacheldrahtzaun entlangschleicht, kauert sich, als sie unsere Stimmen hört, flach auf den Boden. Wir warten beide und beobachten sie, aber sie hat es nicht eilig, weiterzukommen.
»Woher wussten Sie, dass sie eine Krankenschwester war?«, fragt Ruiz.
»Sie hatte das Medaillon.«
»Ich glaube, dass Sie sie sofort erkannt haben. Ich glaube, der ganze Rest war Theater.«
»Nein.«
Sein Ton wird kälter. »Sie kannten außerdem ihren Großvater – Richter McBride.«
»Ja.«
»Warum haben Sie das nicht gesagt?«
»Ich habe es für unwichtig gehalten. Das ist Jahre her.
Psychologen treten häufig als Gutachter vor dem Familiengericht auf. Wir beurteilen Kinder und Eltern und geben dem Gericht Empfehlungen.«
»Was haben Sie von ihm
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