Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
einen Artikel über den Einsturz einer Brücke in Israel. »Ich habe es Ihnen ja gesagt!«, scheint ihre Miene auszudrücken. In den nächsten fünfzig Minuten denken wir gemeinsam darüber nach, wie viele Brücken es in der Welt gibt und wie häufig sie einstürzen.
    Um drei Uhr stehe ich wartend am Fenster und suche unter den Passanten nach Bobby. Ich frage mich, ob er kommen wird. Als ich seine Stimme höre, zucke ich zusammen. Er steht in der Tür und reibt mit den Händen über seine Seiten, als wollte er sie von etwas reinigen.
    »Es war nicht meine Schuld«, sagt er.
    »Was?«
    »Was immer Sie denken, was ich getan habe.«
    »Du hast eine Frau bewusstlos getreten.«
    »Ja. Das ist alles. Sonst nichts.« Das Licht spiegelt sich blitzend in der goldenen Fassung seiner Brille.
    »Derartige Feindseligkeit muss doch irgendwoher kommen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Du bist ein intelligenter junger Mann. Du weißt, was ich meine.«
    Es ist Zeit, Bobby direkt zu konfrontieren, um zu sehen, wie er unter Druck reagiert.
    »Seit wann bist du mein Patient? Seit einem halben Jahr. Die Hälfte der Zeit warst du verschwunden. Du kommst zu spät zu Terminen, du tauchst unangemeldet auf und du hast mich um vier Uhr morgens aus dem Bett gezerrt …«
    Er blinzelt heftig. Mein Ton ist so höflich, dass er sich nicht sicher ist, ob ich ihn kritisiere.
    »… und selbst wenn du hier bist, wechselst du ständig das Thema oder machst Ausflüchte. Was versuchst du zu verstecken? Wovor hast du solche Angst?«
    Ich rücke mit meinem Stuhl näher an ihn heran, sodass unsere Knie sich beinahe berühren. Es ist, als würde man in die Augen eines geprügelten Hundes schauen, der nicht weiß, dass
er sich auch abwenden kann. Manche Aspekte seiner Psyche erkenne ich ganz deutlich – vor allem seine Vergangenheit –, aber seine Gegenwart sehe ich nach wie vor nicht.
    »Ich will dir sagen, was ich denke, Bobby. Ich denke, dass du verzweifelt nach Zuneigung suchst, aber nicht in der Lage bist, Menschen für dich zu gewinnen. Das alles hat vor langer Zeit angefangen. Ich sehe einen intelligenten und sensiblen Jungen, der jeden Abend auf das Geräusch wartet, wenn sein Vater sein Fahrrad durch das Gartentor schiebt. Und wenn er in seiner Schaffneruniform durch die Tür kommt, kann der Junge es nicht erwarten, die Geschichten seines Vaters zu hören und ihm in seiner Werkstatt zu helfen.
    Sein Vater ist witzig, fix und einfallsreich. Er hat großartige Pläne für seltsame und wunderbare Erfindungen, die die Welt verändern werden. Er macht Zeichnungen auf Papierfetzen und baut in seiner Garage Prototypen. Der Junge sieht ihm bei der Arbeit zu und manchmal macht er es sich abends zwischen den Sägespänen gemütlich und lauscht dem Geräusch der Drehbank.
    Aber eines Tages verschwindet sein Vater. Die wichtigste Gestalt in seinem Leben – der einzige Mensch, an dem ihm wirklich etwas liegt – verlässt ihn. Leider erkennt oder verzeiht seine Mutter die Trauer nicht. Sie hält den Jungen für schwach und verträumt, genau wie seinen Vater. Er ist niemals gut genug.«
    Ich beobachte Bobby genau auf Zeichen von Protest oder Widerspruch. Sein Blick zuckt hin und her, als würde er träumen, doch gleichzeitig ist er weiter ganz auf mich konzentriert. »… dieser Junge ist besonders aufmerksam und intelligent. Seine Sinneswahrnehmung ist besonders geschärft, seine Gefühle besonders intensiv. Er beginnt, seiner Mutter zu entfliehen. Er ist noch nicht alt und mutig genug, um von zu Hause wegzulaufen. Stattdessen flüchtet er sich in seinen Kopf. Er erschafft sich eine Welt, die kein anderer sieht und von deren Existenz niemand weiß. Eine Welt, in der er beliebt und mächtig
ist, in der er bestrafen und belohnen kann. Eine Welt, in der ihn niemand auslacht oder demütigt, nicht einmal seine Mutter. Sie wirft sich ihm zu Füßen – wie alle anderen. Er ist Clint Eastwood, Charles Bronson und Sylvester Stallone in einem. Retter. Rächer. Richter. Henker. Er übt seine eigene Gerechtigkeit aus. Er kann das komplette Rugby-Team der Schule mit einer MP niedermähen oder den brutalsten Schläger auf dem Spielplatz an einen Baum nageln…«
    Bobbys Blick flackert bei erinnerten Bildern und assoziierten Klängen auf – das Licht und Dunkel, das seine Vergangenheit überschattet. Seine Mundwinkel zucken.
    »Und zu was wächst er heran, dieser Junge? Zu einem Menschen, der nicht schlafen kann. Er erleidet Phasen der Schlaflosigkeit, die an seinen Nerven

Weitere Kostenlose Bücher