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Adrianas Nacht

Adrianas Nacht

Titel: Adrianas Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon von Winterstein
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muss mal wieder -Pantomime, sagte: »Du zahlst, zur Strafe!«, und rannte von dannen, zurück zu seiner wirklich netten, wirklich kumpelhaften, wirklich treuen Freundin.
    Ich saß noch eine Weile an meinem Tisch, trank meinen Kaffee, beobachtete die Leute um mich herum, die alle sehr wach und sehr großstädtisch waren. Dann fiel mir endlich ein, dass ich ja Nicole noch eine SMS schuldig war. Guten Morgen, ich hoffe, du hattest noch eine tolle Nacht. Hab dich aus den Augen verloren und bin mit Marie losgezogen. LG Leon . Keine 20 Sekunden später erschien die Antwort auf meinem Display: Ich hoffe, du hattest annähernd so viel Spaß wie ich! Kuss, N .
    Den Spaß, den Nicole meinte, hatte ich dann wohl nicht gehabt.

13.
    Simones Nachtdienst begann um 20 Uhr. Ich wartete in meiner Wohnung bis 21 Uhr, dann druckte ich den Text für Adriana aus, faltete ihn sorgfältig zweimal, steckte ihn in die Innentasche meines Jacketts und machte mich auf den Weg. Bevor ich zu Adriana fuhr, wollte ich allerdings noch sehen, ob Marie daheim war. Den ganzen Tag über hatte ich darüber nachgedacht, wie ich den schlimmen Patzer vom vergangenen Abend wiedergutmachen konnte. Ich entschied mich ganz einfach, altmodisch und passend für Rosen. Also fuhr ich vorerst zum Bahnhof, kaufte einen Strauß schöner, roter, langstieliger Rosen, eine Karte, auf die ich, neben meiner Handynummer, nur schrieb: Sorry! Bitte ruf mich an, Leon . Ich stieg wieder in meinen Wagen und fuhr zu Maries Haus. In ihrer Wohnung brannte Licht. Da die Rosen eine Überraschung sein sollten, klingelte ich bei einem Nachbarn und sagte, ich sei der Blumenbote, ich müsse bei Frau R. Blumen liefern, und ob er wohl so freundlich wäre, mir die Tür zu öffnen. Nein! Noch mal versuchen, 4. Stock. Nein! Dann kam zum Glück eine ältere Frau, sah mich, die Rosen, lächelte und bat mich mit ins Haus hinein. Ich fuhr schweigend mit ihr bis zum dritten Stock, stieg aus, wünschte der Dame einen guten Abend und schlich zu Maries Wohnungstür. In der Wohnung hörte ich laute Stimmen, Marie schrie, und ein Mann brüllte. Das ging einige Minuten so heftig hin und her, dass ich nicht wagte, einfach die Blumen vor die Tür zu legen und zu verschwinden. Ich fühlte mich mutlos, stand unentschlossen da, mit den Rosen in der Hand, horchte und hatte keine Ahnung, was ich tun konnte, wenn da drinnen jetzt etwas wirklich Schlimmes passieren würde. Plötzlich kamen die Stimmen näher zur Tür. Ich ging vorsichtshalber beiseite, und wenige Sekunden später stürzte ein Mann, etwas jünger als ich, aus der Tür und brüllte: »Scheiße!«
    Fluchend marschierte er in Richtung des Fahrstuhls. Marie kam hinter ihm hergerannt, erschien in der Tür, Tränen in den Augen, rote Wangen, sie zitterte vor Wut und warf ihm, ich glaube, es war eine Vase, vielleicht ein großes Glas, hinterher, das mit lautem Krach im Hausflur hinter dem Mann auf den Boden knallte und in tausend Splitter barst. Ich drückte mich gegen die Wand, aber plötzlich schnellte ihr Kopf in meine Richtung herum. Sie sah mich völlig entgeistert an, wie ein Gespenst. Ihr Blick fiel auf die Blumen in meiner Hand. Sie sah mich wieder an, und ich erkannte förmlich, wie ihr nun auch noch das Ende des gestrigen Abends einfiel. Ich wusste, dies war der definitiv allerfalscheste Auftritt, den ich in meinem Leben je gehabt hatte, und am falschesten falschen Ort, zur falschesten falschen Zeit, im falschesten falschen Kontext, und ich hatte überhaupt keine einzige Zeile passenden Text parat. Das würde ich nie wieder so schlecht hinbekommen. Marie begann zu schluchzen, hielt sich die Hände vors Gesicht und ging weinend in ihre Wohnung zurück. Da sie die Tür nicht hinter sich schloss, dachte ich, es sei wohl besser, ihr zu folgen. Also betrat ich den Flur und ließ die Tür hinter mir zufallen. Marie ging, ohne auf mich zu achten, in ihr Schlafzimmer und warf sich aufs Bett. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es richtig wäre, ihr jetzt dorthin zu folgen. Also suchte ich ihre Küche, nahm dort eine Vase, die ich oben auf einem Schrank fand, füllte sie mit Wasser und brachte die Blumen, die wirklich wunderbar dufteten, ins Wohnzimmer von Maries kleiner und sehr anheimelnd, mit viel Liebe eingerichteter Wohnung. Die Karte steckte ich gut sichtbar in den Strauß.
    Dann ging ich doch zum Schlafzimmer, wo Marie noch immer auf dem Bett lag und hundserbärmlich weinte. Ich setzte mich auf die Bettkante, streichelte ihr den Kopf und wusste

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