Adrianas Nacht
müsstest nun gehen, hättest wirklich keine Zeit mehr, aber morgen sei ja auch noch ein Tag. Du zogst Dich an und warst wieder einmal verschwunden aus meinem Leben.
Ich verabschiedete mich von Adriana. Ich ging noch einmal zu ihr hinüber, nahm ihre Hand, streichelte sie, stand noch einige Minuten schweigend an Adrianas Bett. Dann ging ich. Für immer. Auch an Simone ging ich wortlos vorbei und habe sie nie wiedergesehen.
Ich stieg in meinen Wagen, fuhr auf dem Rückweg noch einmal an Maries Haus vorbei und schließlich heim zu mir, duschte mich, legte mich nackt und erschöpft aufs Bett und schlief sofort ein.
21.
Am Montagmorgen sprach ich Marie auf die Mailbox, sie möge mich bitte nicht vergessen, bis ich meine Sachen geordnet hätte. Wenig später bekam ich eine SMS von ihr: Niemals! Ich fuhr in die Agentur. Ich hoffte, dass ich am Vortag keine Spuren hinterlassen hatte, und als ich viel zu früh das Büro betrat, war unsere Buchhalterin schon bei der Arbeit. Sie begrüßte mich so missmutig, dass ich wusste, dass alles in Ordnung war. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, loggte mich in die Finanzbuchhaltung ein und ließ mir eine vorläufige Bilanz ausgeben. Wie gut, dass unsere Buchhaltungssoftware wusste, was ich jetzt in meinem wirklichen Leben tun musste. Eine vorläufige Bilanz ziehen. Dann wechselte ich zu unserer Klientenkartei. Ich gab eine Übersicht der Klienten aus, die in Berlin lebten. Und ich hatte mich nicht geirrt, in den letzten zwei Jahren waren mehr als die Hälfte der Schauspieler, die wir betreuten, nach Berlin gezogen. Ich steckte die Klientenübersicht und die Bilanz in eine Mappe, telefonierte mit meiner Bank und ging dann in Peters Büro, wo ich ihm einen Zettel auf den Schreibtisch legte: Können wir heute zusammen mittagessen? Ich habe eine verwegene Idee, die ich mit dir besprechen muss. Rufst du an? Liebe Grüße, Leon.
Mein Bankberater hielt die bestellte Vermögensübersicht bereits in den Händen, als ich in sein Büro trat. Ich erläuterte ihm meinen Plan, befragte ihn zu meinen zwei Eigentumswohnungen und über die Fondsanteile und zu den Optionen (halten oder liquidieren), denn ich würde erst einmal eine Zeitlang flüssig bleiben wollen, wenn ich meinen Plan umsetzte. Wir gingen einige Szenarien durch, dann bat ich ihn, mir zwei Modelle konkret durchzurechnen und mir die Ergebnisse zu mailen.
Der nächste Besuch dieses Morgens galt meinem Vater. Ich erläuterte ihm meinen Plan und fragte ihn nach seiner Meinung. Nachdem er sich ausgiebig darüber beklagt hatte, dass ich ihn am Wochenende wieder vergessen hatte, befand er meine Idee für gut und betrauerte lediglich die wohl folgenden Wochenenden, an denen ich ihn nicht mehr besuchen kommen würde. Ich verwies auf meine Schwester und ihre drei reizenden Kinder.
Peter erreichte mich bei meinem Vater auf dem Handy, und wir verabredeten uns in einem Restaurant, das der Agentur genau gegenüberlag. Peter bemerkte schon, bevor er sich gesetzt hatte, dass ich besser aussähe, und fragte, was passiert sei und warum wir uns nicht einfach in der Agentur getroffen hatten. Ich sagte, ich sei am Wochenende zu dem Schluss gekommen, dass ich grundsätzlich einiges in meinem Leben ändern müsse, und das hätte auch für die Agentur Konsequenzen. Peter fragte: »Welche?«
Ich erläuterte auch ihm mein Vorhaben. In der Kurzfassung: Ich würde nach Berlin ziehen! Ich wollte dort eine Zweigstelle unserer Agentur eröffnen, unsere Berliner Klienten von dort aus betreuen und versuchen, neue Klienten zu akquirieren, damit sich die Sache lohnte. Solange wir durch diese Veränderung rote Zahlen schrieben und was die Investition in neue Räume und deren Ausstattung anginge, würde ich mit meinem privaten Geld einspringen und dann in Zukunft vielleicht einen etwas höheren Anteil am möglichen Gewinn der Berliner Zweigstelle einstreichen, wenn sie denn irgendwann Gewinn abwerfe und Peter damit einverstanden sei. Peter sollte kein Risiko tragen. Würde das alles nicht funktionieren, wäre das Mutterschiff nicht betroffen.
Peter sagte: »Du bist dir ganz sicher, dass du das machen willst?«
Ich sagte: »Ja!«
Peter stimmte ebenfalls zu, unter der Bedingung, dass ich ihm bestimmte Details noch etwas genauer erläutern würde und er meine Berechnungen geprüft habe. Ich war erstaunt und fragte ihn, warum er so leicht zu überzeugen gewesen wäre. Er sagte, dass er zwar in keiner Sekunde glauben würde, es ginge mir einzig um das Wohl und
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