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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Aba wies ihr Anerbieten ab. Er klopfte an die Tür eines bescheidenen Hauses, das am weitesten von der hölzernen Kirche entfernt war und in dem eine gewisse Meffraye hauste.
    Jeder im weiten Umkreis kannte diesen Namen. Sie war eine Hexe. Je nach Region nannte man sie die Meffraye, die Malvenue oder die Thessalierin. In den Legenden, die sich um sie woben, hieß es, sie verberge sich in Gestalt eines weißen Skorpions oder eines Salamanders in den Ruinen eines westgotischen Turms in der Nähe von Martel. In Wirklichkeit hieß sie Jeanne Quimpoix und lebte friedlich in Aude-sur-Pont, wo sie ohne irgendeine Zauberei Heiltränke für die Kranken braute.
    Pater Aba hatte sie schon einmal aufgesucht, sieben Jahre zuvor. Er hatte Perrot zu ihr gebracht.
    Das Verhalten des Neugeborenen war von Geburt an unnatürlich gewesen. Er aß nicht wie die anderen, verweigerte seine Milch an Fastentagen und schlief wenig, ohne je zu weinen. Seine Mutter hatte sich schnell von der Geburt erholt, doch es ging ihr
schlecht, sobald sie sich von ihrem Sohn entfernte. Pater Aba selbst fühlte sich in seiner Gegenwart wie neugeboren. Als er ihn taufte, tauchte er ihn in das kühle Wasser des Taufbeckens, das bei der Berührung mit dem kleinen Körper warm und silbrig wurde …
    Überzeugt, dass es sich um einen Zauber handeln musste, und sei es um einen guten, hatte Pater Aba sich Sorgen gemacht und Esprit-Madeleine eingeschärft, niemandem, nicht einmal ihrem Mann Jerric, etwas von diesen Seltsamkeiten zu erzählen, bevor er sich über das Phänomen im Klaren war.
    Er wusste nicht, an wen er sich wenden sollte, um herauszufinden, was mit seinem Sohn los war.
    Da hörte er von der Meffraye reden.
    Mit Esprit-Madeleines Einverständnis brachte er Perrot - der noch kein Jahr alt war - unter dem Vorwand, er wolle seinen Fersenknochen untersuchen lassen, da dieser missgebildet sein könnte wie der seiner Mutter, nach Aude-sur-Pont.
    Er zeigte das Kind Jeanne Quimpoix.
    Mit undurchdringlicher Miene legte diese, nachdem sie in einer Sammlung astrologischer Abhandlungen nachgeschlagen hatte, ein getrocknetes Mispelblatt in die rechte Handfläche des Kindes. Einige Augenblicke später ergriff sie die Pflanze und presste zwischen ihren Fingern deren Saft aus. Sie roch an seinem Duft und fuhr hoch.
    »Wer weiß von den Gaben dieses Kleinen?«, fragte sie Pater Aba.
    »Niemand, ausgenommen seine Mutter und ich.«
    »So soll es bleiben!«, rief sie aus.
    »Was hat er denn?«, fragte Aba beunruhigt.
    »Wenn Ihr seine Heilkräfte preisgebt, dann werden vornehme Herren ihn Euch wegnehmen und für ihre eigenen Zwecke benutzen wollen oder ihn an den Königshöfen zur Schau stellen. Wenn die Kirche davon erfährt, wird sie ihn dem Henker überantworten. In ihren Augen sind nur die Heiligen berechtigt, Wunder zu wirken.
Man muss ihm Zeit lassen, damit er vor den bösen Geistern geschützt heranwachsen kann. Wer weiß, welche anderen Fähigkeiten noch auf ihn warten. Beschützt ihn!«
    »Es steckt also nichts Dämonisches in ihm?«
    Die Zauberin hatte gelächelt.
    »Ich wette, dass die Dämonen mehr von Perrot zu befürchten haben als Perrot von den Dämonen. Die wahre Gefahr für diesen Jungen sind die Menschen! Sie dürfen nicht von seiner Existenz erfahren, bevor er alt genug ist, um sich selbst zu verteidigen.«
    Pater Aba hatte diesen Rat gewissenhaft befolgt. Bei seiner Rückkehr ins Dorf erfuhr er, dass während der dreitägigen Abwesenheit Perrots eine ganze Reihe von Unglücksschlägen das Dorf getroffen hatte.
    Aba berichtete Esprit-Madeleine von den Empfehlungen der Meffraye. Er wollte Cantimpré mit Perrot und ihr verlassen und ein einsames Dasein fern aller misstrauischen Blicke führen. Doch die Frau weigerte sich: In ihrer Frömmigkeit glaubte sie, dass sie sich Gottes Willen beugen sollten, der sie trotz aller Wechselfälle seit ihrer Begegnung in Paris hierhergeführt hatte. Pater Aba gab schließlich nach. Damals beschloss er, um die Aufmerksamkeit von Perrot abzulenken, dem Wunsch seiner Schäflein nachzugeben und seinen Vorgänger Evermacher mit den Wundern in Verbindung zu bringen, mit denen Cantimpré gesegnet war …
    Acht Jahre lang hatte diese Taktik perfekt funktioniert. Wenn Esprit-Madeleine und der Geistliche Perrot nach seinen Gaben fragten, antwortete er ein ums andere Mal das Gleiche: »Das bin ich nicht. Ich mache nichts. Ich entscheide nichts.«
    Das Geheimnis schien gut gewahrt.
    Jetzt öffnete Jeanne Quimpoix dem Pater ihre

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