Advocatus Diaboli
bewaffnete Schar in Ponzac auf, um ihn zu rauben.«
Jeanne Quimpoix nahm eine Bleimine zur Hand und ergriff Pater Abas Karte. Schweigend trug sie weitere Kreuze ein.
Vierzehn Kreuze.
Acht davon befanden sich in Dörfern, die Pater Aba nicht in Narbonne entdeckt hatte.
»Hier seht Ihr weitere Dörfer, in denen im Laufe der letzten Jahre Wunderkinder geboren wurden.«
Pater Aba war wie betäubt.
»Wie ist es vorstellbar, dass in ein und derselben Gegend so viele Erscheinungen dieser Art zusammentreffen?«
Jeanne schüttelte den Kopf.
»Mir scheint, dass das ein weiteres unter den vielen Rätseln ist, die Ihr noch zu lösen habt.«
Wieder griff sie nach ihrer Bleimine und zeichnete einen Kreis, der alle Dörfer umschloss, die sie eingezeichnet hatte.
Cantimpré lag genau in seinem Zentrum.
»Der Schlüssel liegt zweifellos dort …«
IV
A té zog Perrots Kleidung aus, ließ ihn waschen und schrubben und kleidete ihn sodann in weißes Leinen. Das Kind war in eine kleine Kammer eingesperrt worden, die direkt in die Umfriedungsmauer eingelassen war, welche den Burgturm umgab. Einzig Até sowie ein Augustinermönch, der mit einem Pergamentheft und Bleiminen versehen war und ein genaues Porträt von ihm zeichnete, durften sich ihm nähern.
Der durch ein Wunder gerettete Todkranke in den Kellergewölben fand die Kraft wieder, aufzustehen und zu sprechen. Als Até von seinem ermutigenden Zustand erfuhr, erteilte sie den Befehl, ihn zu töten. In Anwesenheit Perrots wurde er in den zentralen Hof der Burg geführt und gehängt.
Sein Todeskampf dauerte nicht wie üblich einige Minuten, sondern fünfmal so lange. Der Unglückliche verkrampfte sich und fuchtelte herum, ohne je das Bewusstsein zu verlieren. Eigentlich bevorzugten die weltlichen Obrigkeiten den Tod durch den Strick, weil er schnell und ohne Blutbad kam, in diesem Fall jedoch entleerte sich der Missetäter buchstäblich durch Augen, Nase, Ohren und Mund. Sein Gesicht lief violett an, es wurde beinahe schwarz. Dieser grauenhafte Blutstau nahm erst mit seinem Hinscheiden ein Ende.
»Schön«, begnügte sich Até zu sagen. »Sehr schön.«
Sie musterte Perrot, der zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Sie wusste, dass seine Gabe in den Todeskampf des Erhängten eingegriffen und dessen Tod hinausgezögert hatte. Wie im Pfarrhaus in Cantimpré, wo sie einem ihrer Männer bedeutet hatte, ein Kind vollständig zu durchbohren und auch dieses nicht auf der Stelle gestorben war …
Die Krankenträgerin von Montauban hatte den Verstand verloren, als sie ihren Kranken wieder wohlauf vorgefunden hatte. Sie rief alle Engel zu Hilfe, behauptete, der Körper des durch ein Wunder Geheilten sei vom Teufel besessen, und vollführte während des Todeskampfes des Gehängten unglaubliche Freudentänze.
Até hatte genug von ihr und ließ sie durch die Garotte hinrichten.
Am nächsten Tag machten Perrot, Até und ihre Truppe sich wieder auf den Weg. Dieses Mal wurde der Junge nicht in einem gewöhnlichen Sack versteckt, sondern in einem Karren mit einer Plane transportiert, der so eng war, dass vier Personen, deren Füße mit einer Kette gefesselt waren, sich nicht darauf hätten setzen können.
Wenn das Kind an den schwarz gekleideten Männern vorbeiging, wurden diese unruhig. Manch einer hatte die wundersame Heilung in den Kellergewölben des Schlosses nicht verkraftet.
In dem Fuhrwerk musste Perrot sich an den Tragestangen der Plane festklammern, so schnell holperte der Karren über unwegsame Straßen dahin, als wollte er es mit der Begleittruppe an Schnelligkeit aufnehmen. Jeden Abend befahl Até eine Rast in einer Abtei, einer Herberge oder einem Schloss. Bei jedem Halt wurden sämtliche Pferde für Unsummen Geldes ausgewechselt.
Seit seiner Entführung wurde Perrot von zwei Gefühlen beherrscht: Angst und Kummer. Angst, er könnte von Até aus einer
Laune heraus ermordet werden, und Kummer über den Verlust der Orte und Menschen, derer er beraubt war.
Er hatte dieses Unglück vorausgeahnt; am Morgen der Entführung war er unruhig und niedergeschlagen gewesen, er hatte gespürt, dass eine Gefahr heraufdämmerte, ohne sie bestimmen zu können. In der Nacht davor hatte er nicht geschlafen.
Nun fehlte ihm alles: seine Eltern, seine Freunde, die Unterrichtsstunden mit Pater Aba, seine Spiele auf der Hochebene, die heitere Stimmung im Dorf.
Mit seinen Freunden hatte er sich jeden Tag bei den Spielen seines Alters vergnügt - Ballspiele, Kreisel,
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