Advocatus Diaboli
Tür und drängte ihn zum Eintreten, damit die Kälte sich nicht in ihrem Häuschen ausbreitete. Der Besucher schüttelte seinen durchnässten Mantel ab und gehorchte.
Wieder stellte er überrascht fest, wie reinlich es im Innern war und dass weder ein Zauberbuch noch ein Schmelztiegel, weder getrocknete Pflanzen noch sonst etwas zu sehen war, das an den Schlupfwinkel einer Zauberin erinnerte. Er erinnerte sich auch an sein Erstaunen, als er vor sieben Jahren bemerkt hatte, dass die Meffraye erst an die dreißig Jahre alt und recht hübsch anzusehen war, während er eine hässliche Fratze erwartet hatte, wie sie angeblich ihrem Stand entsprach. Sie hatte kurz geschnittenes blondes Haar, eine schmale Taille und weiße Haut. Sie trug ein helles Obergewand, das von einem Hanfseil zusammengehalten wurde und ihr das Aussehen einer jungen Frau verlieh, die verheiratet werden sollte.
»Ich heiße Jeanne Quimpoix«, hatte sie ihm verkündet, »so wie meine Mutter vor mir und ihre Mutter vor ihr und so weiter bis in die Zeit von Fredelon de Rouergue im 9. Jahrhundert zurück.«
Im Wechsel der Generationen zogen die Meffraye durch die Grafschaft Toulouse. Ihr größtes Vergehen? Dass sie nie einen Mann zum Gatten nahmen. Jede Jeanne Quimpoix verschwand irgendwann für einige Wochen von ihrem Wohnort und kam geschwängert zurück, um eine Tochter zu gebären …
Die Frau lud Pater Aba ein, sich am Feuer aufzuwärmen, und erbot sich, ihm einen Stärkungstrunk zuzubereiten. Sie öffnete eine der Truhen, in denen sie ihre Mineralien, Flüssigkeiten und Kräuter verstaut hatte. Sie nahm Antimon und Quecksilber zur Hand und vermischte sie mit ein paar Tropfen Öl und heißem Wasser.
»Trinkt das«, sagte sie zu ihm, nachdem er sich ans Feuer gesetzt hatte, auf dem zwei Kessel standen. »Ich werde nachsehen, was ich Euch zu essen anbieten kann. Seit wann seid Ihr unterwegs?«
»Nicht so lange, wie man aus meinem Äußeren schließen könnte …«
»Ihr habt nur ein Auge, Pilger, aber dieses ist beredt. Euch quält ein Leiden. Und der Zorn. Hat Euch ein Mann verraten? Oder vielleicht eine Frau? Oder schleppt Ihr eine Last von Gewissensbissen mit Euch? Habt Ihr gesündigt im Heiligen Land? Hat man Euch nicht von all Euren Sünden freigesprochen?«
Ein trauriges Lächeln erschien auf Pater Abas Gesicht.
Er dachte, dass die Zauberin recht hatte. Seit Perrots Entführung aus Cantimpré war keine Stunde vergangen, ohne dass er daran gedacht und darunter gelitten hatte.
Jeanne Quimpoix kam näher und sagte bedauernd: »Ich habe nur noch zähes Fleisch und Linsen, die gekeimt haben. Ihr Geschmack mag zweifelhaft sein, zumindest aber sind sie heiß und kräftigend.«
»Ich habe nicht so viel erwartet. Nochmals danke.«
Er trank das Gebräu der Zauberin. Sogleich spürte er, wie seine Fingerspitzen und Füße warm wurden.
Kurze Zeit später verschlang er am Tisch die Mahlzeit. Seit Jahren hatte er sich nicht mehr mit solchem Heißhunger auf ein Gericht gestürzt. Nach seinem sesshaften Leben in Paris und seinem sesshaften Leben in Cantimpré besaß Pater Aba nicht mehr die Konstitution, tagelang auf dem Rücken einer Mauleselin über Hügel und durch Täler zu ziehen. Der Trank der Zauberin linderte rasch seine Rückenschmerzen.
Während er seine Mahlzeit beendete, ging die Zauberin hinaus, um sein Tier zu versorgen. Sie führte es in einen Stall, der ebenso groß war wie die kleine Stube ihrer Behausung.
»Eure Mauleselin hat eine Verletzung am rechten Vorderfuß«, sagte sie bei ihrer Rückkehr. »Ich werde sie heilen, bevor Ihr Eure Reise fortsetzt.«
Sie stellte einen mit Öl gefüllten steinernen Tiegel ab. Dann entzündete sie die Flüssigkeit, und blaue und rote Flammen züngelten hoch. Darauf näherte sie ihre rechte Hand: Ihre Nägel waren
lang und bemalt. Sie beobachtete die Lichtreflexe des kleinen Feuers an ihren Fingerspitzen.
»Ah, Ihr habt mich schon einmal aufgesucht …«, rief die Flammenleserin.
Pater Aba erzählte ihr von seinem Aufenthalt vor sieben Jahren mit Perrot, damals noch ein Säugling, und rief ihr die Umstände seines Besuchs und die Empfehlungen in Erinnerung, die sie ihm damals mitgegeben hatte.
»Ich erinnere mich an den freundlichen Perrot. Ein ganz erstaunliches Werk der Natur. Vor allem für sein zartes Alter …«
Aba schilderte, was sich in Cantimpré zugetragen hatte.
»Ich habe Eure Ratschläge befolgt«, erklärte er. »Ich habe alles getan, um Perrots Fähigkeiten zu verbergen.
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