Advocatus Diaboli
Mittel, um »den Fuchs auszuräuchern«.
Nun hatte er ihn gefunden.
XIV
A té brachte Perrot in eine reiche Zisterzienserabtei. Das weitläufige Gebäude mit seinen weißen Mauern und den lichtdurchfluteten Räumen raubte dem Kind den Atem.
Seit dem Zwischenfall im Waldlager war die Frau mit den roten Haaren nicht mehr von seiner Seite gewichen. Die schwarz gekleideten Männer, die sie begleiteten, waren ebenso wie das junge Mädchen aus dem brennenden Dorf allesamt verschwunden, und sie reisten gegenwärtig in einem prunkvollen Gespann mit solidem Verdeck und gepolsterten Sitzen. Até hatte ihre Söldnerkleidung abgelegt und zog nur noch ihren schönsten Staat an: weite, in Falten geraffte Roben, Mieder mit runden Halsausschnitten, Seidenhauben und lange, an den Handgelenken mit Perlen bestickte Handschuhe.
Bei jeder Etappe machten sie in Schlössern oder bedeutenden Klöstern halt. Perrot hörte, wie er einmal als Até de Brayacs eigener Sohn vorgestellt wurde. Diese wurde dank ihrer einflussreichen Abstammung überall mit großer Ehrerbietung aufgenommen.
An diesem Abend befand sich der Junge in einem Raum der Abtei, der für gewöhnlich dem Erzbischof vorbehalten war, wenn er auf der Durchreise war.
Er hätte sich nie vorstellen können, dass es eine so riesige Kaminabzugshaube
geben könnte; das Bett war so breit wie die Stube in seinem Haus in Cantimpré, und eine Messingbadewanne war randvoll mit dampfendem Wasser gefüllt, das nach Lavendel roch.
Die Sonne ging unter; die ganze Abtei hallte wider von den Gesängen Hunderter von Mönchen, die die Vesper feierten.
Perrot saß auf einem Stuhl. Wie gewöhnlich ging Até geschäftig im Zimmer umher, während er unbeweglich und stumm blieb. Seit mehreren Tagen hatte er kein Wort mehr gesprochen.
Er konnte das Bild Atés, wie sie mit ihrem Schwert die Brust der Frau durchbohrt hatte, nicht aus seinen Gedanken vertreiben. Und die ungeheuren Entfernungen, die sie zurückgelegt hatten und die ihn jeden Tag weiter von Cantimpré entfernten, stürzten ihn in eine schreckliche Niedergeschlagenheit.
Die Frau verbrachte eine Stunde vor ihrem Bronzespiegel damit, ihre Haare zu glätten und zu einem schweren Zopf zu flechten. Sie war nur mit einem weißen Hemd bekleidet, das über den Boden schleifte. Sie erhob sich, um kochendes Wasser in ihr Bad zu schütten. Danach überprüfte sie, ob die Eichentür gut verriegelt war und die Fensterläden verschlossen waren.
Sie sah, wie Perrot ihre Bewegungen mit den Augen verfolgte.
»Vor einem Jahr kannte ich einmal ein Kind wie dich«, sagte sie, »es wollte lieber sterben und stürzte sich in den Abgrund, noch bevor es wusste, wohin ich es bringen wollte! Ich möchte nicht, dass sich das wiederholt.«
Mitsamt ihrem Hemd stieg sie in ihr Bad und hielt dabei mit einer Hand den Zopf hoch. Sie entblößte ihre rechte Schulter und musterte die Narbe des Schwerthiebs, der sie bei der Entführung des Mädchens getroffen hatte. Die Wunde war verschwunden.
»Großartig«, sagte sie. »Du hast ausgezeichnete Arbeit geleistet!«
»Ich kann nichts dafür«, murmelte Perrot.
Até fuhr hoch.
»Du redest? Zum Teufel, ich hatte die Hoffung schon aufgegeben, den Klang deiner Stimme zu hören …«
Perrot senkte den Kopf.
»Ich kann nichts dafür, was Eure Narbe angeht«, fuhr er fort. »Keine der Heilungen, die in meiner Gegenwart geschehen, ist von mir gewollt.« Er zuckte die Schultern. »Es passiert einfach, das ist alles.« Até lächelte. »Was für ein seltsamer kleiner Junge du bist!« Sie machte es sich in ihrem Bad bequem. »Ich wurde im Orient erzogen, fern von meinem Vater. Dort hätte ein Phänomen wie du die größten Gelehrten angezogen, man hätte dich untersucht, beschützt und begleitet. Hier dagegen muss man dich verstecken, muss lügen und darf deine Gaben nicht ruchbar werden lassen …! Du bist dir darüber noch nicht im Klaren, aber ich bin auch deswegen heute bei dir, Perrot, um dir das Leben zu retten …«
Der Junge hob den Kopf.
»Und Maurin?«
»Wer?«
»Maurin. Mein Freund aus Cantimpré, den Ihr mit einem Schwertstreich habt töten lassen. Ihm habt Ihr nicht das Leben gerettet …!«
Até dachte nach und erinnerte sich wieder an den massakrierten Jungen im Pfarrhaus.
»In der Tat«, versetzte sie. »Wie soll ich dir das erklären? Hat dieser Pater Aba euch nicht erzogen, indem er euch Sprichwörter beigebracht hat?«
»Ja. Das ist wahr. Woher wisst Ihr das?«
»Ich wusste schon lange, bevor
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