Advocatus Diaboli
Falschspielern und gedungenen Mördern, die unsere Ränge füllen, findest du auch an die dreißig Kerle, die das Schwert im Orient geschwungen haben, um das Heilige Land zurückzuerobern. Man darf sich nicht von ihren Gesichtern irreführen lassen: Sie waren hervorragende Soldaten, manche von ihnen wurden in diesen fernen Ländern zu Prinzen geadelt. Warum sind sie heute bei uns gelandet? Das ist ihre Geschichte. Sie schließen sich nicht zuletzt deshalb uns an, weil wir einem Mann, der die Angst vor dem Sterben verloren hat, niemals Fragen stellen … Wie dem auch sei, der Bergfried kann sie nicht erschüttern.«
Pater Aba betrachtete die hohen grauen Mauern der Burg und dachte, was sie wohl verbergen mochten.
Am nächsten Tag gelang es Isarn, einen Mann zusammen mit einigen Bewohnern aus dem Nachbardorf, die in der Kapelle des Adligen einer Messe beiwohnen sollten, in die Burg einzuschleusen. Dieser Mann verschaffte ihm einen Überblick über die Truppenstärke von Hue de Montmorency: etwa zwanzig Soldaten, Bogenschützen und mehrere auf dem Wachgang verteilte Verteidigungsanlagen. Am Hof verkehrten viele weltliche Geistliche. Gab es auch Bischöfe? Ja, zwei. Dazu eine Bruderschaft von drei Augustinermönchen. Zusammen mit Isarns Verbündeten im Schloss hatte der Mann einen Plan ausgeheckt, wie sie bei Einbruch der Nacht zum Angriff blasen konnten.
»Nichts, das unüberwindbar wäre«, schloss Isarn befriedigt.
Pater Aba bestand darauf, an dem Angriff teilzunehmen. Er hatte das Schwert aus Cantimpré wieder an sich genommen. Er fieberte der Attacke entgegen und zeigte keine Scheu, das erste Blut zu vergießen.
Er fand sich Seite an Seite mit Männern aller Couleur wieder, von denen die meisten unter das Niveau wilder Bestien gesunken waren. Die Grausamkeit in ihren Gesichtern beeindruckte ihn
nicht mehr; er begann sich allmählich selbst äußerlich diesen Räubern anzugleichen.
Als es dunkel war, gab Isarn einen Befehl aus, der den Pater erstaunte: »Diejenigen, die religiöse Gefühle haben, mögen jetzt ihre Gebete sprechen, denn nicht alle werden die Kämpfe dieser Nacht überleben.«
Und Aba sah verblüfft, wie manche Räuber alle Gebete aus ihrer Kindheit vor sich hin murmelten.
Wie lange war es schon her, dass er, der Pfarrer von Cantimpré, zum letzten Mal das Bedürfnis verspürt hatte, sich an Gott zu wenden.
Man weiß von Mördern, die sich von ihrem Verbrecherleben losgesagt haben und gute Priester geworden sind, aber wie viele Priester haben ihr Priesteramt aufgegeben, um Mörder zu werden?
Unversehens sah er in Gedanken das Lächeln von Esprit-Madeleine und ihrem Sohn vor sich, das Glück in Cantimpré, ihre brennende Liebe in Paris …
Oft hatte er in Cantimpré seinen Gläubigen die Geschichte von Isaaks Opfer erzählt und die Schönheit von Abrahams Geste gepriesen.
Heute glaubte er nicht mehr daran.
Nicht einmal Gott würde er seinen Sohn opfern.
Es wurde Nacht. Die ersten Lichter in den schmalen Steinkreuzfenstern des Burgturms wurden nun sichtbar; sie bestätigten, dass eine große Zahl von Bewohnern sich dort aufhielt. Man hörte, wie das dünne Läuten einer Kapellenglocke die liturgischen Stunden schlug.
Nach mehreren Stunden des Wartens, die für Aba einer Folter gleichkamen, erloschen die Lichter an der Fassade allmählich; alle gingen schlafen. Endlich flog ein Pfeil mit brennender Spitze aus den Mauern der Burg in den Himmel und zeichnete eine Funkenparabel in die Dunkelheit.
»Freunde, es ist Zeit!«, rief Isarn aus.
Ohne Fackeln oder Kerzen rückten die Männer zu der Kuppe vor, auf der das Schloss thronte, und erklommen den Abhang bis zum Burggraben, wo sie sich zu beiden Seiten des Auflagers der Zugbrücke verteilten.
Pater Aba folgte ihnen. Er spürte die bis zum Zerreißen angespannten Nerven seiner Nachbarn und ihre verkrampften Muskeln, er sah, wie der Schatten der Burgmauer immer massiver aufragte, je näher er kam.
Der Schnee schimmerte im Widerschein eines halben Mondes. Aba hielt das Schwert von Cantimpré in seiner Rechten - weiß traten die Fingerknöchel hervor, so krampfhaft hielt er den Knauf. Die Männer um ihn herum trugen schwere Hämmer, Hackbeile, Armbrüste, Panzerhemden und Kettenharnisch.
Die Zugbrücke setzte sich durch die Maschinerie, die in die Hände von Isarns Männern gefallen war, in Gang und senkte sich, von zwei Ketten gehalten, langsam und geräuschlos herab.
Diese Männer sind wirklich und wahrhaftig unbesiegbar, dachte Aba,
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