Advocatus Diaboli
es an seiner Stelle fertigzustellen. Das kostete ihn ein Jahr, ein Jahr, in dem er auf alles verzichtete und sich in der Kammer einschloss, die er von dem Böhmen übernommen hatte. Er übergab das vollendete Werk den Auftraggebern, die schon lange nicht mehr damit gerechnet hatten.«
Zapetta lächelte.
»Seine Arbeit wurde mit so viel Lob überhäuft, dass Rainerio auf der Stelle in die Verwaltung des Laterans berufen wurde! Seitdem sprach er immer vom Advocatus Diaboli oder Kirchenanwalt, wenn er gefragt wurde, für wen er arbeitete. Und manchmal verkündete er voll Stolz: ›Heute kehre ich wieder zur Heiligen Kongregation zurück!‹ Wir erfuhren kaum mehr. Er behauptete, er dürfe nicht darüber sprechen, das könnte den Angelegenheiten, die er untersuchte, zum Nachteil gereichen. Von nun an brachte er das Geld nach Hause, das unser Vater mit seiner Werkstatt nicht mehr herbeischaffen konnte. Wir waren ihm sehr dankbar.«
Benedetto verharrte einen Moment lang schweigend. Er unterstrich den Namen Otto Cosmas auf seiner Tafel.
Nachdem das Mädchen seine Schale geleert hatte, fragte es: »Wisst Ihr, Meister Gui, was sich hinter dieser Heiligen Kongregation und diesem Advocatus Diaboli verbirgt?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Ich dachte, Ihr hättet auf alles eine Antwort?«
Er lächelte gutmütig.
»Ich kann nicht jederzeit alles wissen! Aber mach dir keine Sorgen, ich brauche nie lange, um das herauszufinden, was ich nicht weiß.«
Daraufhin stellte er Zapetta eine Frage nach der anderen und notierte ihre Antworten auf der Wachstafel.
»Seit wann arbeitete dein Bruder im Lateran?«
»Fast zwei Jahre.«
»Und er verschwand nie? Er verließ morgens das Haus und kehrte am Abend zurück?«
»Ohne jede Abweichung, Meister.«
»Wie sahen diese beiden Männer aus, die ihn abgeholt haben?«
Das Mädchen zog die Augenbrauen zusammen, wie kleine Kinder es tun, wenn sie ihre Gedanken zwingen wollen, bei einem Bild zu verharren.
»Sie waren groß und ziemlich kräftig. Ich habe ihre Kleider nicht gesehen, denn sie trugen einen langen schwarzen Mantel.«
»Bewaffnet?«
»Ich weiß nicht.«
»Ihre Gesichter?«
»Leider habe ich sie mir nicht gemerkt. Ich war zu sehr beunruhigt wegen Rainerio. Alles ging so schnell …«
Sie beschrieb ihren Bruder, seine Gestalt, sein Gesicht, sein Alter sowie die Kleidung, die er am Tag seines Verschwindens getragen hatte. Gui notierte sorgfältig diese Anhaltspunkte, wohl wissend, dass zu Beginn einer Nachforschung nur die Einzelheiten zählen.
Er fragte: »An wen könnte ich mich wenden, um mehr über deinen Bruder zu erfahren? Hat er Freunde? Eine Freundin vielleicht?«
»Soweit ich weiß, nicht. Rainerio war immer ein Einzelgänger. Wie sein Meister Cosmas. Ich kenne nur einen Freund aus Kindertagen; aber ich weiß nicht, ob sie noch miteinander verkehrten. Er heißt Tomaso di Fregi. Als ich das letzte Mal von ihm hörte,
arbeitete er im Pilgerhospiz an der Piazza Segni. Ich wollte gestern hingehen in der Hoffnung, ihn zu treffen, aber es waren so viele Leute dort! Und an ein Vorsprechen im Lateran durfte ich gar nicht erst denken; die Wachen hätten mich nie auch nur die erste Stufe zum Palast hinaufsteigen lassen …«
Gui notierte Tomasos Namen. Er legte den Kopf nach hinten und umschloss sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger, in dieser Haltung konnte er immer am besten nachdenken. Lange Zeit verharrte er schweigend. Das Mädchen war ein wenig enttäuscht und begann schon zu fürchten, er sei in Gedanken inzwischen woanders.
»Ich suche Euch deshalb auf, Meister Gui«, drängte sie, »weil wir bald die kümmerlichen Ersparnisse von Rainerio aufgebraucht haben. Ich werde Seile spleißen und für einen Gastwirt Laken waschen müssen, ohne dass meine Eltern davon erfahren, um etwas Lebensmittel und Kohle beizusteuern, aber wenn Rainerio in diesem Winter nicht wieder auftaucht, werde ich auch sie verlieren.«
»Ich verstehe dich, meine Kleine.«
Er sah sie nicht an, denn er ging im Kopf verschiedene Hypothesen durch.
»Und außerdem … und außerdem …«
»Und außerdem?«
Er wusste schon im Voraus, was sie sagen wollte.
»Wir können nie Euer Honorar bezahlen, ohne dass … nun ja …«
»… ohne dass ich Rainerio wiederfinde, ist es das?«
Zapetta nickte und strich sich verlegen durch das dunkelbraune Haar.
»Das macht nichts. Mach dir fürs Erste keine Sorgen um das Geld. In vielen Fällen sorgt Gott für alles!«
Benedetto öffnete eine
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