Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
Vom Netzwerk:
von einem Promotor iustitiae oder einer Heiligen Kongregation die Rede.
    Verdrossen überlegte Benedetto, dass er über Rainerio im Augenblick kaum mehr als seinen Namen wusste!
    Unterdessen trat seine alte Dienerin Viola ein. Schon am Gesichtsausdruck ihres Herrn erkannte sie, dass es nicht einmal ratsam war, ihn zu begrüßen.
    Kurz vor elf Uhr klopfte ein neuer Kunde an die Tür des Ladens. Benedetto war bereits aufgefallen, wie er sich in einer von sechs Männern getragenen, geschlossenen Sänfte auf der Straße genähert hatte. Er hatte einen dicken Bauch, einen glänzenden, kahlen Schädel, flinke, kleine Augen und, wie sich nun zeigte, den schleppenden Gang eines Senators. In Begleitung eines mittelgroßen, dürren Dieners mit undurchdringlicher Miene trat er ein und sank vor Guis Schreibkasten auf einen Stuhl nieder.

    »Beim Kreuz, beim Sockel und beim Kalvarienberg, könntet Ihr nicht in den guten Vierteln Eure Wohnung nehmen?«, wetterte er. »Das wäre erheblich bequemer. Und geziemender.«
    Benedetto schüttelte den Kopf und erwiderte: »Wenn ein Mann wie ich in den guten Vierteln wohnen würde, wie Ihr es nennt, dann würde er am nächsten Ast aufgehängt werden. Niemand will einen Tintenfisch mitten in einem Korb voller Krabben.«
    Der Dicke runzelte die Stirn. Offensichtlich wusste er nicht, dass Kraken Krabben jagten und dass in Rom die Krabben Reiche seiner Art bezeichneten.
    »Ich heiße Maxime de Chênedollé«, erklärte er. »Ich befehlige zwanzig Schiffe mit hundert Tonnen in Ostia. Ich bin wohlhabend und bereite gerade meinen Umzug nach Rom in einen neuen Palazzo mit dreißig Zimmern vor. Ich bin zum vierten Mal verheiratet und halte zwei Geliebte aus, darunter eine Perserin; ich komme für zwölf Kinder auf, und ich dichte - mit Erfolg, wie man mir versichert - gereimte Schwänke nach Art des Anakreon. Meine Freunde haben Vertrauen in mich.«
    Er deutete ein Lächeln an.
    »Unter anderen Umständen wäre es mir nie in den Sinn gekommen, mich eines Individuums Eurer Art zu bedienen, allein … ich habe niemand anderen, an den ich mich wenden könnte!«
    Benedetto Gui war an diese Art widerstrebender Einleitungen gewöhnt: »Es müsste … Aber es war nicht … So sehe ich mich also gezwungen …«
    Maxime de Chênedollé hob eine Hand, und sein Diener reichte ihm mehrere Blätter.
    »Hier«, sagte er. »Es handelt sich um ein Problem, das meine Geschäfte betrifft. Genauer gesagt, Geschäfte mit einem wichtigen Lieferanten in Venedig. Seit einiger Zeit ahne ich, dass er mich hinsichtlich der Herkunft seiner Produkte hintergeht. Allein, jedes Mal wenn ich ihn darauf anspreche, verweist er auf einen undurchschaubaren
Absatz in unserem Vertrag, der zu seinen Gunsten spricht. Könnt Ihr mir sagen, was sich sonst noch zwischen diesen Zeilen verbirgt?«
    Seitdem Handelsverträge auf Pergament den antiken mündlichen Schwur ersetzten, waren Gelehrte wie Benedetto Gui immer mehr gefragt. Sie konnten Klauseln und Bestimmungen abfassen, aber auch die Ungültigkeit bestimmter Vereinbarungen beweisen. Man suchte sie auf, um Testamente oder Abkommen anzufechten.
    Benedetto griff nach den Blättern; er war es ein wenig leid, sich mit der x-ten Handelsstreitigkeit zu befassen, und wollte so schnell wie möglich damit fertig werden.
    »Das ist in schlechtem Latein geschrieben«, stellte er fest.
    Chênedollé zuckte die Schultern.
    »Mein Venezianer ist ein ungehobelter Kerl aus Brindisi.«
    Gui setzte die Lektüre fort.
    Sogleich entdeckte er eine Falle in dem Text.
    »Mehrere Klauseln sind mit der Abkürzung A. P. versehen«, sagte er.
    »Das ist richtig.«
    »Das ist eine weitere Abkürzung des Zeichens Ad. Pr. Nach gängigem Recht bedeutet das ad praesens . Das heißt, dass die Vereinbarungen von den gerade aktuellen Bedingungen abhängig sind: dem Warenpreis, den Transportkosten auf See, den Zollgebühren und anderen Faktoren.«
    »Das weiß ich! Und weiter?«
    »Und weiter, die Gefahr bei der Verwendung von A. P. besteht darin, dass man diese Abkürzung leicht auch als ad patres lesen kann. Wenn das Unglück es will, dass Ihr zu Euren Vorvätern eingeht, dass Ihr also sterbt, dann würde der Gegenstand dieses Vertrags unantastbar werden und vollständig Eurem Venezianer zufallen.«

    »Das ist abscheulich!«
    »Ja. Eine heutzutage recht verbreitete widerrechtliche Besitzaneignung …«
    Benedetto versank in tiefe Konzentration und nahm seine vergrößernde Glaskugel zu Hilfe, um bestimmte Wörter besser

Weitere Kostenlose Bücher