Aelita
Kaktuspflanzungen endeten an einem kreideweißen, steil aufsteigenden Ufer. Es war mit offenbar uralten behauenen Platten ausgelegt. Aus den Rissen und Spalten des Mauerwerks hingen Fasern von vertrocknetem Moos heraus. In einer dieser Platten war – ebenso wie auf dem Feld – ein Ring eingelassen. Die gratigen Eidechsen schliefen friedlich in der heißen Sonne.
Losj und Gussew kletterten an der Böschung hoch. Von hier aus war eine hügelige Ebene zu sehen, ebenfalls orangefarben, nur etwas matter getönt. Hier und da standen Gruppen von niedrig wachsenden Bäumen, die Bergkiefern glichen. Vereinzelt erhoben sich weiße Steinhaufen, den Umrissen nach offenbar Ruinen. Im Nordwesten zog sich in der Ferne eine Bergkette hin mit scharfen, ungleich geformten Graten, die aussahen wie erstarrte Flammenzungen. Auf den Gipfeln der Berge glitzerte Schnee.
»Wir sollten zurückgehen, essen und ausruhen«, meinte Gussew, »wir kommen nur von Kräften, hier ist ja doch keine lebendige Seele zu finden.«
Sie blieben noch eine Weile stehen. Die Ebene war öde und traurig; das Herz krampfte sich ihnen zusammen.
»Ja, wo sind wir hingeraten!« sagte Gussew.
Sie stiegen die Böschung wieder hinunter und begaben sich zu dem Apparat; sie irrten lange umher und suchten ihn im Kaktusdickicht.
Plötzlich rief Gussew im Flüsterton aus: »Da ist er!« Mit gewohnter Bewegung zog er den Revolver aus dem Futteral. »He!« schrie er, »wer ist dort am Apparat, der Teufel soll dich holen. Ich werde schießen!«
»Wen schreien Sie an?«
»Sehen Sie den Apparat aufleuchten?«
»Ja, jetzt seh ich ihn.«
»Und dort, rechts davon sitzt er.«
Losj sah endlich, und stolpernd liefen sie zu dem Apparat. Das Wesen, das neben dem Luftschiff saß, entfernte sich zur Seite, hüpfte zwischen den Kaktusgewächsen umher, sprang hoch, breitete lange, mit Stoff bezogene Flügel aus und erhob sich unter Getöse in die Luft, wo es über den Menschen einen Halbkreis beschrieb und dann davonflog. Das war das, was sie vorhin für einen Vogel gehalten hatten. Gussew zielte mit dem Revolver, um das geflügelte Tier im Fluge herunterzuholen. Doch Losj schlug ihm die Waffe aus der Hand und schrie: »Bist du wahnsinnig? Das ist ein Marsianer!«
Den Kopf zurückgeworfen, mit offenem Mund, blickte Gussew dem wunderlichen Geschöpf nach, das seine Kreise am dunkelblauen Himmel beschrieb. Losj nahm sein Taschentuch heraus und begann dem sonderbaren Vogel zuzuwinken.
»Mstislaw Sergejewitsch, seien Sie vorsichtig, er könnte von dort irgend etwas auf uns herunter schmeißen.«
»Ich sage Ihnen, stecken Sie den Revolver weg.«
Der große Vogel flog jetzt tiefer. Deutlich war ein menschenähnliches Wesen zu erkennen, das im Sattel eines Flugapparates saß. Bis zum Gürtel hing der Körper des Sitzenden in der Luft. In der Höhe seiner Schultern bewegten sich zwei gebogene schwingende Flügel. Darunter, vorne, drehte sich eine Schattenscheibe, augenscheinlich eine Luftschraube. Hinter dem Sattel befand sich das Leitwerk mit seiner gabelförmig gespreizten Steuervorrichtung. Der ganze Apparat war beweglich und elastisch wie ein lebendes Wesen.
Da – jetzt ging er nieder und flog dicht über dem Acker, der. eine Flügel war nach oben, der andere nach unten gerichtet. Nun zeigte sich auch der Kopf des Marsianers in einer eiförmigen Mütze mit einem langen Schirm. Über den Augen hatte er eine Brille. Das schmale Gesicht mit der spitzen Nase war verrunzelt und von ziegelroter Farbe. Er machte den großen Mund weit auf und piepste irgend etwas. Schneller und schneller schlug er mit den Flügeln, setzte dann auf und lief ein Stück über den Acker; etwa dreißig Schritte von den Menschen entfernt, sprang er aus dem Sattel.
Der Marsianer sah aus wie ein mittelgroßer Mensch; er trug eine weite gelbe Jacke. Seine dürren Beine waren bis weit über die Knie fest gewickelt. Er zeigte zornig auf die umgeworfenen Kaktuspflanzen. Als aber Losj und Gussew auf ihn zukamen, sprang er flink in den Sattel, drohte von dort mit dem langen Finger und flog fast ohne Anlauf in die Höhe. Er kam jedoch gleich wieder herunter und fuhr fort, mit dünner, piepsender Stimme zu schreien und auf die gebrochenen Pflanzen zu zeigen.
»Wunderlicher Kauz! Er ist gekränkt«, sagte Gussew und schrie dem Marsianer zu: »Na hör schon auf zu schreien, Sohn eines Katers. Roll her zu uns, wir tun dir nichts….«
»Alexej Iwanowitsch, hören Sie auf zu schimpfen, er versteht nicht Russisch. Setzen Sie sich,
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