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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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sonst kommt er nicht näher zu uns heran.«
Losj und Gussew setzten sich auf den heißen Boden. Losj zeigte durch Gebärden, daß er essen und trinken möchte. Gussew steckte sich eine Zigarette an und spuckte aus. Der Marsianer blickte eine ganze Weile zu ihnen hin und hörte auf zu schreien, drohte ihnen aber noch immer mit dem bleistiftlangen Finger. Alsdann band er einen Sack vom Sattel ab, warf ihn den Menschen zu und stieg in Kreisen auf eine ziemliche Höhe; dann flog er schnell nach Norden und verschwand.
In dem Sack befanden sich zwei Metallbüchsen und ein flaches Gefäß mit einer Flüssigkeit. Gussew öffnete die Buchsen: in der einen war ein stark duftendes Gelee, in der anderen lagen gallertartige Stückchen, ähnlich wie Rachatlokum * . Gussew roch daran.
»Pfui Kuckuck, was die bloß essen!« Er holte das Körbchen mit dem Proviant aus dem Apparat, suchte trockene Kaktusstücke zusammen und zündete sie an. Ein leichter Rauch stieg auf, der Kaktus glimmte nur, gab aber viel Hitze. Sie wärmten eine Blechbüchse mit Pökelfleisch und legten die Eßvorräte auf ein sauberes Tuch. Erst jetzt verspürten sie einen unerträglichen Hunger und aßen gierig.
Die Sonne stand über ihren Köpfen, der Wind hatte sich gelegt, es war heiß. Über die orangefarbenen Bodenhöcker kam ein achtfüßiges Tierchen zu ihnen herangekrochen… Gussew warf ihm ein Stückchen Zwieback zu. Es hob den dreieckigen gehörnten Kopf und schien zu Stein erstarrt.
Losj bat um eine Zigarette, legte sich nieder und stützte den Kopf mit der Hand; er rauchte und lächelte. »Alexej
    * Türkische Leckerei aus Zucker, Mehl und Stärke, vermischt mit Nüssen und Mandeln

    Iwanowitsch, wissen Sie, wie lange wir nicht gegessen haben?«

    »Zuletzt gestern abend, Mstislaw Sergejewitsch; vor dem
    Abflug hab ich mich an Kartoffeln satt gegessen.« »Mein lieber Freund, wir beide haben dreiundzwanzig
oder vierundzwanzig Tage lang nicht gegessen.« »Wieviel?«
»Gestern in Petrograd hatten wir den 18. August, und
heute ist in Petrograd der 11. September – solche Wunder
geschehen also.«
»Sie können mir den Kopf abreißen, aber das versteh ich
nicht, Mstislaw Sergejewitsch.«
»Ich selber verstehe ja auch nicht so ganz, wie das zugeht. Wir sind um sieben Uhr gestartet. Jetzt ist es, wie Sie
sehen, zwei Uhr mittags. Vor neunzehn Stunden haben
wir die Erde verlassen, nach dieser Uhr. Nach der Uhr
jedoch, die ich in meiner Werkstatt zurückgelassen habe,
ist ungefähr ein Monat vergangen. Haben Sie bemerkt:
wenn Sie in einem fahrenden Eisenbahnzug schlafen und
der Zug bleibt stehen, erwachen Sie entweder von einem
unangenehmen Gefühl, oder es bedrückt Sie etwas im
Traum. Das kommt daher, weil, wenn der Wagen stehenbleibt, in Ihrem ganzen Körper eine Verringerung der
Kreislaufgeschwindigkeit eintritt. Sie liegen in einem fahrenden Wagen, und Ihr Herz und Ihre Uhr, beide schlagen
schneller, als wenn Sie in einem stehenden Eisenbahnwagen lägen. Der Unterschied ist unmerklich, weil die Geschwindigkeiten sehr gering sind. Anders ist es aber bei unserem Flug. Die Hälfte des Weges haben wir beinahe mit der Geschwindigkeit des Lichts durchflogen. Hier ist der Unterschied zu merken. Der Herzschlag, die Geschwindigkeit des Ganges unserer Uhr, die Vibration der Moleküle in den Körperzellen veränderten sich nicht in bezug aufeinander, solange wir im luftleeren Raum flogen; sie bildeten ein Ganzes mit dem Apparat, alles bewegte sich im gleichen Rhythmus wie er. Wenn aber die Geschwindigkeit des Apparates fünfhunderttausendmal größer ist als die normale Geschwindigkeit eines sich auf der Erde bewegenden Körpers, dann mußte mein Herzschlag – ein Schlag in der Sekunde nach der im Apparat befindlichen Uhr sich fünfhunderttausendmal beschleunigen, das will heißen, daß mein Herz während des Fluges fünfhunderttausend Schläge in der Sekunde tat, gerechnet nach der Uhr, die in Petrograd zurückgeblieben ist. Nach dem Schlagen meines Herzens, nach der Zeigerbewegung des Chronometers in meiner Tasche, nach dem Empfinden meines ganzen Körpers, haben wir neunzehn Stunden unterwegs zugebracht. Und das waren in Wirklichkeit neunzehn Stunden. Jedoch nach dem Herzschlag eines Petrograder Bewohners, nach der Bewegung des Zeigers der Uhr der Peter-Pauls-Kathedrale sind vom Tage unseres Abfluges an über drei Wochen vergangen. In der Zukunft wird es möglich sein, große Weltraumschiffe zu bauen, sie mit Lebensmittelvorräten, Sauerstoff und Ultralyddit

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