Aelita
für ein halbes Jahr zu versehen und dann irgendwelchen Querköpfen folgenden Vorschlag zu machen: ,Ihnen gefällt es nicht, in unserer Zeit zu leben? Wollen Sie in hundert Jahren auf der Erde sein? Dazu brauchen Sie sich nur für ein halbes Jahr mit Geduld zu wappnen und die Zeit in dieser Schachtel abzusitzen. Aber was für ein Leben werden Sie dann haben! Sie überspringen ein Jahrhundert! Und man schickt sie mit Lichtgeschwindigkeit für ein halbes Jahr in den Sternenraum. Sie werden sich etwas langweilen, die Bärte werden ihnen lang wachsen, und dann werden sie zurückkehren. Inzwischen ist auf der Erde das Goldene Zeitalter angebrochen. Und das al
les wird wirklich einmal so sein.«
Gussew ächzte, schnalzte mit der Zunge und wunderte
sich immer wieder. »Mstislaw Sergejewitsch, was meinen
Sie zu diesem Getränk? Werden wir uns nicht vergiften?« Er zog mit den Zähnen den Pfropfen aus der marsianischen Flasche, probierte die Flüssigkeit mit der Zunge und
spie aus: man konnte sie trinken! Er nahm einen Schluck
und räusperte sich.
»So was wie unser Madeira.«
Losj versuchte nun auch: die Flüssigkeit war dick, süß
lich mit einem starken Blumengeruch. Beim Probieren
leerten sie die halbe Flasche. Ihre Adern durchströmte
Wärme und eine besondere leichte Kraft, aber der Kopf
blieb klar.
Losj erhob sich vom Boden, streckte und reckte sich: ihm
war leicht und wohl zumute, und auch etwas merkwürdig
fühlte er sich unter diesem anderen Himmel, es war alles
so unwahrscheinlich und wundersam. Als ob ihn der Wellenschlag des Sternenozeans ans Ufer geworfen hätte, und er wäre neugeboren zu einem neuen, unerforschten Le
ben.
Gussew trug den Korb mit den Eßvorräten in den Apparat, schraubte die Luke fest zu und rückte die Mütze tief in
den Nacken.
»Schön ist es, Mstislaw Sergejewitsch, mir tut’s nicht
leid, daß wir hergefahren sind.«
Sie beschlossen, wieder zum Kanalufer zu gehen und bis
zum Abend über die hügelige Ebene zu wandern. Vergnügt plaudernd, schritten sie zwischen den Kaktusgewächsen hindurch, manchmal sprangen sie auch über
sie hinweg, in leichten, langen Sprüngen. Bald sahen sie
die weißen Steine der Uferböschung durch das Dickicht
schimmern.
Auf einmal blieb Losj stehen. Kalt lief ihm ein Gefühl des
Ekels über den Rücken. Drei Schritte vor ihm, dicht am
Boden, sahen ihn hinter den dicken Blättern hervor zwei
Augen an, groß wie die eines Pferdes, von rötlichen Lidern halb verdeckt. Sie blickten unverwandt, mit grimmiger Bosheit.
»Was haben Sie?« fragte Gussew und erblickte nun
ebenfalls die Augen. Ohne zu überlegen, schoß er sofort
auf sie – Staub flog auf. Die Augen waren verschwunden.
»Da ist noch eine – dieses Ungeziefer!« Gussew drehte
sich um und schoß noch einmal auf einen eilig auf langen
Spinnenbeinen davonlaufenden gestreiften, fetten braunen Körper. Es war eine Riesenspinne, wie sie auf der Erde nur auf dem Boden sehr tiefer Meere vorkommen. Sie
entkam ins Gestrüpp.
Das verlassene Haus
Vom Ufer des Kanals bis zu der nächstgelegenen Baumgruppe schritten Losj und Gussew über verbrannten, braunen Staubboden, sie übersprangen schmale, abbrökkelnde Kanäle und umgingen ausgetrocknete kleine Teiche. Hier und da ragten aus den eingefallenen Kanalbetten die verrosteten Gerippe von Barken hoch. Da und dort leuchteten auf der traurigen, toten Ebene erhabene Metallscheiben auf, die einen Durchmesser von etwa einem Meter hatten. Die reflektierenden Flecke dieser Scheiben zogen sich von den spitzen Graten der Berge über die Hügel bis zu dem Gehölz und den Ruinen hin.
Zwischen zwei Hügeln befand sich ein Wäldchen niedrig wachsender brauner Bäume mit weit ausladenden flachen Wipfeln. Ihre Zweige waren stark und knotig, die Stämme zäh und knorrig, die Blätter erinnerten an feines Moos. Am Waldsaum hingen zwischen den Bäumen Reste von Stacheldraht.
Sie traten in das Wäldchen. Gussew bückte sich und stieß etwas mit dem Fuß fort: durch den Staub rollte ein eingeschlagener Menschenschädel, an seinen Zähnen glänzte Metall. Hier war es stickig. Die moosigen Zweige gaben in der windstillen Hitze nur einen kärglichen Schatten. Nach einigen Schritten stießen sie wiederum auf eine erhabene Scheibe; sie war an dem Rand eines metallischen runden Schachtes festgeschraubt. Am andern Ende des Wäldchens erblickten sie Ruinen: dicke Ziegelmauern, wie durch eine Sprengung aufgerissen, Berge von Schutt, hochragende Enden von verbogenen Metallträgern.
»Die
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