Aelita
flogen auf. Kugeln pfiffen. An Gussews Boot wurde ein Stück von der Bordwand weggerissen.
Gussew schimpfte vergnügt mit lauter Stimme. Er hob das Leitwerk in die Höhe. Danach ließ er sich abwärts fallen, dem Luftschiff entgegen. Und während er wie ein Sturmwind darüber hinwegfegte, warf er die Granate. Er hörte, wie es hinter ihm ohrenbetäubend krachte und donnerte. Da brachte er die Steuervorrichtung wieder in die horizontale Lage und drehte sich um. Er sah, wie das Flugzeug sich unbeholfen in der Luft überschlug, qualmend und auseinanderfallend, und auf die Dächer niederstürzte.
Damit hatte dann alles angefangen.
Als Gussew nun über der Stadt flog, erkannte er alles bereits im Spiegel Gesehene wieder: die Plätze, die Regierungsgebäude, das Arsenal und die Arbeiterviertel. Vor einer lang sich hinziehenden Fabrikmauer sah er eine aufgeregte vieltausendköpfige Menge Marsianer, die einem aufgestörten Ameisenhaufen glich. Gussew ging nieder. Die Volksmenge stob nach allen Seiten auseinander. Er landete auf dem freigewordenen Platz und lachte über das ganze Gesicht.
Jetzt erkannte man ihn. Tausende Hände erhoben sich, aus den Kehlen ertönte es brüllend: »Der Magazitl, der Magazitl!« Schüchtern begann die Menge näher zu kommen. Gussew erblickte bebende Gesichter, flehende Augen und radieschenrote kahle Schädel. Das waren alles Arbeiter, Proleten, armes Volk.
Er stieg aus dem Boot, warf den Sack über die Schulter und machte eine weit ausladende Handbewegung in der Luft.
»Ich grüße euch, Genossen!« Es wurde still um ihn, wie im Schlaf. Inmitten dieses schmächtigen Völkchens erschien Gussew als ein Riese. »Habt ihr euch hier versammelt, um Reden zu schwingen, Genossen, oder um zu kämpfen? Wenn ihr Reden schwingen wollt, dann lebt wohl, ich habe keine Zeit.«
Durch die Menge flog ein schwerer Seufzer. Einige Marsianer schrien mit verzweifelter Stimme: »Rette uns, Sohn des Himmels!« und ihre Schreie wurden von der ganzen Menge aufgenommen: »Rette, rette, rette uns, Sohn des Himmels!«
»Ihr wollt also kämpfen?« sagte Gussew, und dann brüllte er heiser aus vollem Halse: »Der Kampf hat begonnen. So eben hat mich ein Militärflugzeug überfallen. Ich habe es heruntergeholt und zum Teufel geschickt. Zu den Waffen, mir nach!« Er griff in die Luft, als erfaßte er ein Lenkseil.
Durch die Volksmenge drängte sich Gor (Gussew erkannte ihn sofort). Gor war grau vor Aufregung, seine Lippen zitterten. Er krallte sich mit den Fingern an Gussews Brust fest.
»Was sagen Sie? Wozu rufen Sie uns auf? Man wird uns vernichten. Wir haben keine Waffen. Wir brauchen andere Kampfmittel…«
Gussew riß Gors Hände von seiner Brust.
»Die wichtigste Waffe ist der Entschluß. Wer sich entschließen kann, der hat auch die Macht. Dazu bin ich nicht von der Erde hierhergeflogen, um lange Reden zu halten…. Ich bin dazu von der Erde hergeflogen, um euch zu lehren, wie man einen Entschluß faßt. Ihr seid verspießert, Genossen Marsianer. Wer den Tod nicht fürchtet, der folge mir! Wo ist euer Arsenal? Dort holen wir uns Waffen! Kommt alle mit, ins Arsenal!…«
»Aja-jai!« kreischten die Marsianer.
Ein Gedränge begann. Gor streckte verzweifelt die Hände gegen die Menge aus.
So hatte der Aufstand begonnen. Ein Führer war gefunden. Ein Schwindel ergriff alle. Das Unmögliche schien möglich.
Gor, der langsam und wissenschaftlich einen Aufstand vorbereitet hatte, der nach dem gestrigen Tage sogar gezögert hatte und sich noch nicht entschließen konnte, Gor war plötzlich wie aus dem Schlaf erwacht. Er hielt zwölf aufwühlende Reden, die über den Fernsehspiegel in die Arbeiterviertel weitergegeben wurden. Vierzigtausend Marsianer schickten sich an, zum Arsenal zu marschieren. Gussew teilte die Vorrückenden in kleinere Haufen ein, die im Schütze der Häuser, Denkmäler und Bäume von einer Stelle zur anderen liefen. Er hatte auch angeordnet, daß an allen Kontrollspiegeln, vermittels derer die Regierung die Bewegung in der Stadt verfolgte, Frauen und Kinder aufgestellt wurden, die – nicht sonderlich laut und eifrig auf Tuskub schimpfen mußten.
Durch diese asiatische List gelang es, die Wachsamkeit der Regierung eine Zeitlang einzuschläfern.
Gussew fürchtete eine Luftattacke der Militärflugzeuge. Um wenigstens für kurze Zeit die Aufmerksamkeit abzulenken, schickte er fünftausend unbewaffnete Marsianer ins Zentrum der Stadt; dort sollten sie laut schreien und um warme Kleidung, Brot und Chawra
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