Aelita
runde Blitze, aussandten. Ein Teil der aufständischen Flotte wurde von ihnen vom Himmel heruntergeholt. Als die Nacht einbrach, belagerte Gussew den Platz vor dem Hause des Höchsten Rates und begann in den Straßen, die sternförmig vom Platz ausgingen, Barrikaden zu bauen. »Ich werde euch schon beibringen, wie man eine Revolution macht, ihr ziegelroten Teufel«, sagte Gussew und zeigte, wie man die Steinplatten aus dem Pflaster heben muß, wie man Bäume umschlägt, Türen aushängt, Hemden mit Sand füllt.
Gegenüber vom Hause des Höchsten Rates ließ er die zwei im Arsenal erbeuteten Maschinen aufstellen und daraus die Regierungstruppen mit feurigen Geschossen überschütten. Doch die Regierung überzog den ganzen Platz mit einem elektromagnetischen Feld.
Da hielt Gussew seine letzte Rede an diesem Tag, eine sehr kurze, aber bedeutungsvolle Rede, dann stieg er auf eine Barrikade und schleuderte, eine nach der anderen, drei Handgranaten. Die Wirkung ihrer Explosion war entsetzlich: drei Flammengarben schossen hoch, und in die Luft flogen Steine, Soldaten, Stücke von Maschinen, der ganze Platz war eingehüllt in Staub und beißenden Rauch. Die Marsianer brachen in ein Geheul aus und gingen zum Angriff über. (Das war in dem Augenblick geschehen, als Losj auf dem Landgut Tuskubs in den Fernsehspiegel geblickt hatte.)
Die Regierung zog das elektromagnetische Feld zurück, und nun sprangen von beiden Seiten über den Platz, über die Kampfenden kleine tanzende Feuerbälle, die platzend ganze Bäche von bläulichen Flammen niederfallen ließen. Die finsteren pyramidenförmigen Gebäude erzitterten von dem Getöse.
Das Feuergefecht dauerte nicht lange. Über den von Leichen bedeckten Platz stürmte Gussew an der Spitze einer ausgewählten Abteilung in das Haus des Höchsten Rates. Das Haus war leer. Tuskub und alle Ingenieure waren geflohen.
Umschwung der Ereignisse
Die Truppen der Aufständischen besetzten alle von Gor bezeichneten wichtigen Punkte der Stadt. Es war eine kühle Nacht. Die Marsianer froren auf ihren Posten. Gussew befahl, offene Feuer anzuzünden. Das erschien allen als etwas ganz Unerhörtes: tausend Jahre waren es her, seit in der Stadt kein Feuer mehr angezündet worden war, von tanzenden Flammenzungen wurde nur noch in einem uralten Lied gesungen.
Gussew selbst zündete den ersten, aus zerbrochenen Möbelstücken geschichteten Scheiterhaufen vor dem Hause des Höchsten Rates an. »Ulla, Ulla«, fingen die Marsianer leise zu wimmern an und umringten das Feuer. Und da begannen auf allen Plätzen die Feuer zu lodern. Ihr rötlicher Schein belebte die schrägen Mauern der Häuser mit schwankenden Schatten und schimmerte in den Scheiben der Fenster.
Hinter den Scheiben erschienen bläuliche Gesichter, die voller Besorgnis und Schwermut die nie gesehenen Feuer und die abgerissenen Gestalten der Aufständischen betrachteten. Viele Häuser wurden leer in dieser Nacht.
In der Stadt war es jetzt still geworden. Nur die Feuer knisterten; Waffen klirrten; es war, als hätten die Jahrtausende auf ihrem Wege kehrtgemacht und als hätten sie aufs neue ihren ermüdenden Flug begonnen. Sogar die dunstig flimmernden Sterne über den Straßen, über den offenen Feuern schienen anders zu sein – und der am Feuer Sitzende hob unwillkürlich den Kopf und blickte aufmerksam hinauf, wie zu einem vergessenen, wieder lebendig gewordenen Bild. Gussew inspizierte, auf einem geflügelten Sattel sitzend, die Stellungen des Heeres. Er ließ sich aus dem Sternendunkel auf den Platz fallen und überquerte ihn zu Fuß, einen gigantischen Schatten werfend. Er sah wahrhaft wie ein Sohn des Himmels aus, wie ein Götze, der von seinem steinernen Sockel heruntergestiegen ist. »Der Magazitl, der Magazitl«, flüsterten die Marsianer in abergläubischem Entsetzen. Viele von ihnen sahen ihn zum erstenmal und krochen heran, um ihn zu berühren. Manche riefen weinend mit kindlichen Stimmen: »Jetzt werden wir nicht sterben… Wir werden glücklich sein – Der Sohn des Himmels hat uns das Leben gebracht.«
Abgezehrte Körper, bedeckt von der einförmigen, für alle gleichartigen Kleidung, runzlige, spitznasige, welke Gesichter, traurige Augen, seit Jahrhunderten nur an das Kreisen von Maschinenrädern und die Dämmerung in den Bergwerken gewohnt, magere Arme, denen die Bewegungen der Freude und der Kühnheit fremd waren, Hände, Gesichter, Augen, in denen sich die Funken der Feuer spiegelten – sie reckten und hoben sich dem
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