Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
hier«, meint Winnie. »Hast du gut ausgesucht.« Ich frage mich, was er wohl tun würde, wenn ich auf dem Rückweg ein wenig schwächelte. Irgendwas von »dünner Luft« murmelte wie einst auf dem Jungfraujoch. Würde er sich kümmern? Würde er sich in einen edlen Ritter auf einem schwarzen Pferd verwandeln? Muss man als Frau in den mittleren Jahren erst umkippen, um Aufmerksamkeit zu erregen? Schluss mit den Phantasien für heute!
Ich muss mich sputen. Heute Abend bin ich mit Britt zum Essen verabredet. Tine und Lady Mona, alias Sabine, kommen auch. Privat spricht Sabine nur selten über Männer, weil das bei ihr zum Geschäftlichen gehört. Sabine redet lieber über Tiere, Natur und Esoterik. Ich werde ihr vom Biotop in der Murellenschlucht erzählen. Das eignet sich gut für einen Hundespaziergang.
Vielleicht kommen Britt und die beiden Frauen mal mit. An einem Sommertag wie heute. Allein schon die seltenen Schmetterlinge sind bemerkenswert. Winnie ist schon okay, aber was romantische Stimmungen an einem Nachmittag im Wald betrifft– das ist mit den Ladys vielleicht sogar leichter zu haben.
Tangokurs: Im Wiegeschritt durch die Langzeitehe
Die Langzeitbeziehung! Sie ist immer noch die verbreitetste Lebensform im fortgeschrittenen Alter. Von den Frauen und Männern zwischen 50 und 60 Jahren haben rund drei Viertel einen Lebenspartner, darunter sind die allermeisten verheiratet. Doch die Langzeitehe bröselt: Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Scheidungen von Ehen, die 15 Jahre und länger dauern, innerhalb von zehn Jahren um fast ein Viertel gestiegen. Und das, obwohl die gesamte Zahl der Scheidungen in dieser Zeit leicht schrumpfte.
Ist die Langzeitehe also doch keine Oase der Sicherheit und Solidarität? Sondern vielmehr ein Sündenpfuhl aus Berechnung und Verrat? Was die Frage aufwirft: Kann ich was tun, damit meine Ehe auf Dauer lebendig und liebevoll bleibt?
Dazu gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten: Ratgeberbücher, Reisen und Tanzkurse. Ich habe mich kundig gemacht. Derzeit befinde ich mich mit Christoph und einigen Freundinnen und Freunden im Selbstversuch: Wir üben in der Tanzschule »Tanzbär«. Christoph und ich haben den Grundkurs »Standard/Latein« gebucht. Heute wiederholen wir die Tangoschritte.
»Vergesst nicht: Dieser Tanz hat Kultstatus«, sagt Trainer Eduard mit ernstem Blick. »Mit seinen harten, schnellen Bewegungen gilt der Tango weltweit als einer der erotischsten Tänze überhaupt. Vielleicht ist er deshalb nicht ganz einfach.« Einige Teilnehmer kichern, Eduard macht diesen Witz garantiert nicht zum ersten Mal.
Das hier ist die neunte Doppelstunde im Grundkurs. Suse, Jürgen und unsere Freunde Theresa und Günther sind mit von der Partie. Wir gehören zur brandheißen Zielgruppe vieler Tanzschulen: Langzeitpaare, die mal wieder »was Schönes« zusammen machen wollen. Etwas, das verbindet.
Dabei tut der »Tanzbär« alles, damit niemand auf die Idee kommt, es könnte sich um eine der Unterrichtsstätten alten Stils handeln, in denen wir mit 15 , 16 Jahren unsere ersten Tanzstunden absolvierten. Um dann hoffentlich von dem Jungen, der am zweitbesten aussah, gefragt zu werden, ob wir mit ihm zum Abschlussball gehen wollten. Was die erste Gelegenheit war, ein Ballkleid zu tragen und sich die Haare kunstvoll zu einem Knoten auf den Kopf zu türmen. Wenn man bis zum Ende durchhielt.
Der »Tanzbär« wendet sich an schon länger Erwachsene. Der Unterricht findet deshalb zu Zeiten statt, die mit der Berufstätigkeit von Leistungsträgern mühelos vereinbar sind. Übermäßigen Alkoholkonsum oder Rauchen gibt es hier nicht. Man kommt in Paaren und Partnerwechsel sind in den Grundkursen kaum vorgesehen. Neue, heiße Bekanntschaften macht man so eher nicht. Die heiße Bekanntschaft soll ja der altvertraute Partner sein, den man hier auf dem Parkett gewissermaßen neu kennen lernt. Denn auch für die Langzeitehe fordern manche Paarberater, was Madonna in ihren Bühnenshows demonstriert: Man soll sich alle paar Jahre neu erfinden.
Die Deko im Ballsaal des »Tanzbär« ist dabei behilflich: Das schummrige Licht, die goldverzierte, gewölbte Decke, das glänzende Parkett und die Samtvorhänge neben der Spiegelwand verbreiten eine theatralische Atmosphäre. Ich habe den Verdacht, dass der große Spiegel ein bisschen streckt.
Ich habe in Gedanken mal durchgezählt, wie weit verbreitet das Tanzen als Ehehilfe in meinem Umfeld ist: Die Lodenbaums haben einen Grundkurs gemacht,
Weitere Kostenlose Bücher