Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
und in entscheidenden Momenten immer noch irgendwer mit einer Pistole auftauchen kann, um die Sache in Schwung zu bringen.
Auch Günther und Theresa schwofen über das Parkett. Die beiden sind schon mehr als 20 Jahre zusammen, ihre Kinder schon fast groß. Sie kommen mehrmals aus dem Takt, und Günther tritt Theresa auf die Füße. Theresa wirft mir einen Blick zu und rollt genervt mit den Augen.
Das Totenglöckchen für die Ehe
Verächtlich die Augen verdrehen, weil der Partner irgendwas falsch macht: Das ist ein gefährliches Zeichen für eine Partnerschaft. Ist genauso schlimm wie absichtlich in eine andere Richtung schauen, wenn der Partner spricht. Oder sich vor Leuten abfällig über die Mutterbeziehung des Angetrauten äußern. All das fällt in die Kategorie Verachtung. Und da müssen die Alarmglocken schrillen, sagt der berühmte US -amerikanische Eheberater John Gottman. Wer den Partner erniedrigt, der schaufelt das Grab für die Ehe. Ein tiefes Grab.
Auch meine Nachbarin Edith hatte mir vor Jahren während eines Disputs mit ihrem Reiner in ihrer Küche einen verschwörerischen Blick zugeworden und seufzend die Augen verdreht. Ganz so, als sei ihr Ehemann ein dummer Junge. Dabei ging es nur um Reiners Outfit. Er hatte ein bunt gemustertes Kurzarmhemd angezogen, Modell Hawaii, das seine blassen, dünnen Arme unvorteilhaft betonte. Das Augenverdrehen machte Edith noch mal zwei Wochen später: Da hatte Reiner die Sauce hollandaise nicht hingekriegt.
Nun wirken Hawaiihemden immer polarisierend. Und eine Sauce hollandaise gerinnt ganz schnell, wenn man nicht ständig rührt. Das Problem waren nicht das Hemd und die Sauce. Und auch nicht die Tatsache, dass Edith einen Roman von Rosamunde Pilcher las, was Reiner zu der Bemerkung veranlasste, das sei »klebrige Weiberliteratur«.
Die beiden verachteten sich. Da halfen auch die Tanzkurse nicht und nicht die Tatsache, dass Edith irgendwann mal Reizwäsche trug. Ich sah es, als sie sich bei uns aufs Sofa setzte. Zwei Jahre nach dem Sauce-hollandaise-Augenrollen reichte das Psychologenpaar gemeinsam die Scheidung ein, Strapse hin oder her.
Mich hat das aufgeschreckt. Ich verdrehe seitdem nur noch selten vor anderen Leuten die Augen wegen Christoph. Einmal hatte sich Christoph eine Motorradjacke mit großen grünen Schulterpolstern gekauft. Ich fand nicht, dass sie ihm doll stand und zog sein Outfit vor Suse und Jürgen ins Lächerliche.
Das zweite Mal habe ich mit den Augen gerollt nach einer abfälligen Bemerkung von Christoph in der Küche.
Britt, Suse und Jürgen waren zu Besuch und Christoph hatte behauptet, die Sängerin Katie Melua mache »Sülzmusik für Leute, in deren Leben nichts mehr passiert«. Ich hatte für 140 Euro zwei Karten für das Melua-Konzert gekauft und eigentlich gehofft, dass Christoph mit mir hingeht. Ich verdrehte die Augen, seufzte laut, bemühte mich, noch verächtlicher zu klingen als Christoph, und sagte: »Kann ich nichts dafür, wenn du Schönes immer heruntermachen musst. Du kannst so beschissen lebensfeindlich sein.«
Mit diesem Spruch hätte ich laut Gottman ziemlich laut das Totenglöcklein für unsere Ehe geläutet. Denn erstens rechtfertigte ich mich, das ist schon mal ganz schlecht. Zweitens äußerte ich eine Fundamentalkritik an Christoph und machte ihn drittens auch noch charakterlich runter, und das vor anderen Leuten. Das Katie-Melua-Konzert war übrigens dann doch recht nett. Britt kam mit, viele Frauen in mittlerem Alter, wenige Männer, es gab Popcorn am Eingang, und am Ende fielen weiße Ballons vom Himmel.
»Der Wiegeschritt«, holt mich Eduard ins Hier und Jetzt zurück, »ist das ästhetische Herzstück des Tango. Das könnte bei euch noch lockerer aussehen. Kurz, kurz, lang– am besten, ihr sprecht die Akzentuierung innerlich mit.« Eduard kann so viel erzählen, wie er will. Diese Synkopen im Tango zu tanzen liegt mir einfach nicht im Blut, obwohl es toll aussieht, wenn jemand das kann. Edith und Reiner bewegten sich am Ende ihrer Ehe auch rassig übers Parkett, die Füße waren genau richtig versetzt und der Wiegeschritt bemerkenswert. Alles nur Show.
»Der Mann kann den rechten Arm eng um die Dame schlingen, die Dame den linken Arm eng an den Rücken des Mannes anlegen oder sportlicher eher unter die Achsel des Mannes. Ich persönlich bevorzuge die Haltung weit um den Rücken.« Eduard erklärt nochmal die Varianten der Handhaltung. Wir stehen eher brav da, Christoph hält meine rechte Hand weit nach
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