Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
ich, dass uns jetzt sogar schon zwei Verkäuferinnen misstrauisch beäugen. Ohne Britt hätte ich mich das hier nie getraut.
Erinnerungen in Samt
Britt hängt das Kleid wieder zurück. Auf einem Ständer an der Wand habe ich Samtjacken in Grün, Grau und Dunkelrot entdeckt, die sich nicht an das Trendfarbendiktat halten. Schlichte Stücke sind es, leicht tailliert, mit einem Riegel im Rücken.
Eine ähnliche Samtjacke habe ich mit Mitte 20 getragen, als ich verliebt mit Markus in Berlin durch die Kneipen gezogen bin. Das Leben entfaltete sich damals vor mir wie ein frischgewaschenes Tischtuch. Eine solche Jacke in Flaschengrün, stelle ich gleich fest, sieht an mir immer noch ziemlich gut aus. Lässt eine Taille erkennen. Passt gut zu Jeans. Größe 38 reicht, dank Size Germany. »Steht dir«, findet auch Britt. »Nimm sie mit.«
Britt trägt die Hose mit Schlag, die sie zu allererst anprobiert hat, zur Kasse. Das Stück gibt es sogar zum Rabattpreis. Ich bezahle die Samtjacke. Weiß der Teufel, wie oft ich das Stück anziehen werde. Aber heute schenkt sie mir ein Gefühl von Geborgenheit. Kleidungsstücke sollten seelische Anker für uns sein in den späteren Jahren. Sie haben mit unserer Geschichte zu tun. Nur was auch gute Gefühle auslöst, wird genommen. In Size Germany, selbstverständlich.
Partnersuche via Internet: Vom Forstarbeiter in Angermünde
Flirten mit 50 ! Was das betrifft, sollten Frauen rational werden, behauptet meine Freundin Suse an einem Winterabend bei Doris. »Es ist alles eine Frage der Ökonomie«, meint Suse. »Es geht um Angebot und Nachfrage. Bildet euch bloß nicht ein, dass ihr euch von den Marktgesetzen lösen könnt, weil die Liebe was ganz Persönliches ist. Die Liebe ist unpersönlich. Jedenfalls ziemlich oft.«
Wir sitzen im Arbeitszimmer von Suses Freundin Doris vor dem PC . Es gibt Tee und Lebkuchen. Suse trägt eine Kapuzensweatjacke mit dem Aufdruck »Bad Girl«, die ihre Tochter ihr geschenkt hat. Die Jacke ist eigentlich ein bisschen schräg für eine 50 -Jährige. Aber Suse will heute offenbar seelisch abtauchen.
Suse, im Brotberuf PR -Gestalterin, hatte in der Woche zuvor einen Internetauftritt und einen Flyer entworfen, mit denen ein Veranstalter für Single-Reisen wirbt. Sie hatte mir die Texte vorgelesen. Darin pries sie den kommunikativen Vorteil von Achtertischen im Speisesaal und das »zwanglose Programm«, durch das man »leichter zueinanderfindet.« Ich fand, sie hatte den Slogan »Alles kann, nichts muss« als Motto der Single-Reisen ein wenig überstrapaziert. Aber Suse war der Meinung, es dürfe auf keinen Fall nach Verpflichtung klingen.
Suse versicherte in ihrem Text, dass der Veranstalter auf ein »ausgewogenes Geschlechterverhältnis achte«. Die größte Altersgruppe der Singles liege zwischen 30 und 50 Jahren. Es gibt allerdings auch eine »Gruppe 50 plus« mit besonderen Reisen. Bei dieser Altersgruppe könne man leider ein »ausgewogenes Geschlechterverhältnis nicht garantieren«, textete Suse auf Anweisung ihres Auftraggebers. In dieser Gruppe reisen erfahrungsgemäß mehr Frauen mit.
Auf meine Nachfrage erklärte mir Suse, dass es durchaus Überlegungen gebe, gesunde Herren höheren Alters zum Rabattpreis auf Kreuzfahrtschiffen mitreisen zu lassen, um den Männermangel auszugleichen. Ich musste an die Jungs in meiner Jugendzeit denken, die gratis an Tanzkursen teilnehmen konnten, weil es zu viele Mädchen gab. So kehren die Verhältnisse der Jugend im Alter zurück.
Aber die Rabattidee für Männer sei heikel, und außerdem wollten die Männer garantiert nicht vor den Frauen als Billigreisende dastehen, wenn das rauskäme, erklärte mir Suse. Deshalb hatte der Single-Veranstalter die Idee mit dem Sonderpreis für ältere, distinguierte Herren wieder fallenlassen.
Suses Freundin Doris will von ungünstigen Zahlenverhältnissen heute Abend nichts wissen. Doris hat angekündigt, es doch mal mit der Partnersuche über das Internet zu probieren. »Partnersuche passt zur Winterzeit«, behauptet Doris.
Suse kennt Doris noch aus alten WG -Zeiten. Wir haben sie an diesem Sonntagnachmittag am Stadtrand von Berlin besucht, nach einer kleinen Langlaufskitour über die Brandenburger Felder. Normalerweise kommen wir nicht hier raus. Aber schon im Dezember war Schnee gefallen, und Suse und ich hatten uns dick eingepackt und waren mit unseren Langlaufskiern losgezogen.
Wir hatten versucht, auf den Feldern hinter Hermsdorf eine selbst gemachte Loipe durch
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