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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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auf!«
    »Ich merk’s. Gleich zu, ja.«
    »Depression ist normalerweise die nächste Phase. Desorientierung, Phantasieren, Depression. So habe ich’s durchgemacht.«
    »Hm?« Sie blickte auf die weißen Kacheln unter ihren Füßen.
    »Müßte ein Zug kommen in den nächsten fünf, zehn Minuten«, sagte Lanier. Er steckte die Hände in die Taschen und tat es ihr gleich, indem er den Boden betrachtete.
    »Ich fühl’ mich fein«, sagte Patricia. Das glaubte sie selber nicht, aber andererseits hatte sie sich vor Prüfungen schon viel schlimmer gefühlt als jetzt. Sie hatte durchgehalten. Sie mußte durchhalten. »Die Frage ist nur, ob es bessere Methoden gibt, Neuankömmlinge einzuweisen. Dieser Weg scheint recht willkürlich zu sein.«
    »Wir haben andere Wege versucht.«
    »Und es ging nicht?«
    »Nicht besser, oft schlechter.«
    Eine Luftwalze schob sich aus dem Tunnel heran. Patricia lugte über den Bahnsteig, um zu sehen, worauf der Zug fuhr. Da war nichts auf dem Tunnelboden: weder Gleis- noch Führungssysteme irgendeiner Art.
    Aus dem Tunnel flitzte ein riesiger Tausendfüßler aus Alu mit blitzenden grünen Streifen an der fensterlosen Front. Er blieb ruckzuck stehen und brummte leise vor sich hin, während die Türen aufglitten. Ein Marinesoldat stand im Führerwagen. Die Pistole im Halfter und das Lasergewehr auf der Schulter waren nicht zu übersehen.
    »Mr. Lanier«, grüßte er, flott salutierend.
    »Charlie, das ist Patricia Vasquez. Grünes Abzeichen. Patricia, das ist Corporal Charles Wurtz. Ihr werdet euch schätzungsweise noch oft begegnen. Charles ist unser wichtigster Mann auf der Linie Null.«
    »Paß auf, daß keine Gespenster schwarzfahren«, bemerkte Charlie grinsend und gab Patricia die Hand.
    Lanier bedeutete ihr, als erste einzusteigen. Die Innenausstattung glich auf den ersten Blick einem üblichen modernen Schnellzugsystem. Die Kunststoffsitze und Metallbeschläge waren sauber und gepflegt. Die Wagen waren allerdings nicht auf Stehplätze eingerichtet – es fehlten Halteschlingen und Handläufe zum Festhalten – und räumlich großzügig ausgelegt mit reichlich Beinfreiheit. Und keine Reklame. Ja, im Wagen fehlten jegliche Zeichen und Symbole.
    »Wie die alte BART in San Francisco«, sagte Patricia. Sie war schon jahrelang nicht mehr mit der BART oder Metro von LA gefahren.
    Sie lehnten sich bequem zurück auf ihren Plätzen. Es fehlte das Gefühl von Bewegung, bis Patricia aus den großen Fenstern blickte, die unregelmäßig auf den Wagen verteilt waren. Der Bahnhof war ein verwischter Streifen. Dann wurde es dunkel, und hie und da blitzten vertikale weiße Linien auf.
    »Es sieht einfach nicht recht nach Zukunft aus«, stellte sie fest. »Es ist alles wiederzuerkennen. Ich dachte immer, die Zukunft ist so anders, du erkennst nichts wieder. Aber hier gibt’s Häuser, U-Bahn – ich meine, warum keine Materie-Transmitter?«
    »Alexandria und dieses Zugsystem sind viel älter als andere Teile des Steins. Wenn du rumkommst und dir die Dinge genauer ansiehst, wirst du feststellen, daß ein großer Unterschied besteht zwischen dieser Technologie und der unseren. Außerdem…« Er hielt inne. »Man muß die Geschichte einbeziehen. Verzögerungen. Handicaps. Stockungen.«
    »Worüber ich bald mehr wissen werde.«
    »Genau«, erwiderte Lanier. »Hast du eben eine Bewegung gespürt? Eine Beschleunigung?«
    Sie runzelte die Stirn. »Nein. Aber vielleicht hat der Zug sehr langsam Fahrt aufgenommen…«
    »Der Zug beschleunigt mit drei g.«
    »Moment!« Sie wandte sich einem Fenster zu, blickte auf die vorüberhuschenden weißen Streifen und runzelte die Stirn. »Alexandria… ich meine, die Stadt ist nicht richtig angelegt.«
    Lanier sah sie geduldig an. Man erwartete Intelligenz von ihr, dabei war sie in vielerlei Hinsicht noch so jung. Bemüht, ihr Gesicht zu wahren wie eine kleine Schülerin.
    »Der Stein muß beschleunigen und abbremsen, stimmt’s? Genau wie dieser Zug. Aber ich spüre keine Bewegung jetzt. Die Kammern müßten einen schräg angelegten Boden haben, um den Schub auszugleichen, den Schwung des Wassers in Seen und Teichen – erhöhte Einfassungen an einer Seite. Beschleunigungsschub. Schräge Fußwege zum Ausgleich.«
    »Es sind hinsichtlich Beschleunigung keinerlei Vorkehrungen in den Kammern getroffen«, stellte Lanier fest.
    »Also wurde langsam beschleunigt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Sie hatten ein Ausgleichsverfahren?«
    »Die sechste Kammer«, erklärte Lanier.

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