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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Arbeit als so wichtig, daß sie nicht völlig eingestellt werden sollte.
    Sie träumte von einem Kiosk auf der Erde. Es wurde ihr nicht erlaubt, sich ein Eis in der Waffel zu kaufen. Dann änderte sich der Traum, und sie stand an einer Tafel vor einer Schar ungezogener Schüler, denen sie einen komplizierten Zusammenhang zu erklären versuchte. Die Schüler fingen an, sie mit Kreidestücken zu bewerfen. Von der Realität des Geschehens absolut überzeugt, beobachtete sie, wie die Kreide die Gleichungen an der Tafel traf. >Schluß!< rief sie. >Aufhören!< Der Tumult legte sich. Sie hob ein Stück Kreide vom Boden auf und markierte die Treffer. Natürlich, sagte sie, zeigen die…
    Carrolson packte sie an der Schulter und rüttelte sie wach. Patricia strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und blinzelte schläfrig.
    »Wir müssen in die vierte Kammer«, sagte Carrolson.
    »Warum? Ich arbeite…«
    »Arbeit ist aus, Schätzchen. Es steht ein Laster bereit. Die Chinesen kommen auch mit. Alle kommen mit. Mach schon!« Ihr Ton war beißend. Patricia nahm ihre Tasche und stopfte Tafel, Memoblöcke, Multimeter und Prozessor hinein. Carrolson machte Anstalten, ihr die Tasche aus der Hand zu reißen, wich dann zurück und verschränkte die Arme. »Das alles brauchen wir nicht mehr«, sagte sie. »Brauchen wir echt nicht mehr.«
    Tränen rollten Carrolson übers Gesicht und fielen auf die Brust ihres Overalls. »Alle sagen es«, fuhr sie fort. »Ich hab’ noch nichts gesehen, aber da kommen Meldungen rein über den Verstärker, mit dem sie Satellitenübertragungen anzapfen.«
    Patricia klammerte die Tasche an die Brust und lief leise fluchend Carrolson voraus zum Laster.
    Wie komisch sie sich verhielt, dachte Patricia in einem Teil ihres Verstandes, in den die Realität noch nicht vorgedrungen war. Wie hysterisch. Immerhin hatte sie es gewußt. Sie hätte darauf vorbereitet gewesen sein sollen.
    Carrolson, Wu und Chang stiegen hinter ihr auf den Laster. Farley fuhr die Rampe hoch und in den Tunnel.

 
25. Kapitel
     
    Mirski fürchtete sich schrecklich. Angetrieben von den Düsen, die in regelmäßigen Abständen eine dünne, sich schnell verflüchtigende Wasserstoffperoxidwolke ausstießen, flog er dem Peilsignal nach. Auf jeder Seite war Boden zu sehen; sein Magen meinte, er falle in sämtliche Richtungen. Vor ihm lag eine grauschwarze Fläche. Wolkenfetzen trieben über, unter, hinter und vor ihm. Er konnte die Augen nicht schließen; er mußte das Peilsignal in der Mitte der Displayanzeige halten.
    Mehrere Kameraden kamen in Sicht, die hinter sich Kondensstreifen herzogen wie Düsenjäger. Wie viele? fragte er sich. Welche Gegenmaßnahmen hätten die Amis getroffen?
    Er mußte diesen herrlich schaurigen Ort, wo’s kein Oben und Unten gab, überwinden und zum nächsten Bohrloch fliegen. Nur in der zweiten Kammer konnte er vom Zentrum wegtauchen und den Schutzschild entfalten und der einfachen Karte auf seinem Helmdisplay folgen.
    Allmählich schlug seine Angst in freudige Erregung um. Der längste Sprung seines Lebens auf der Erde hatte sechs Minuten gedauert und war besser als ein Geschlechtsakt, besser als eine Beförderung gewesen. Aber hier flog er nun schon zehn, schon fünfzehn Minuten und beschleunigte mit jedem Schub mehr.
    Auch wenn er bei der Landung sterben würde, hätte es sich gelohnt. Ein Land sehen, wo Himmel und Erde vertauscht waren, wo man in jede Richtung fallen konnte und auf Boden stieß… Das war es auf alle Fälle wert; war selbst den Alptraum des Korridors wert, der angefüllt war mit den zerfetzten Kameraden, den im Vakuum aufgedunsenen Gesichtern und hervorquellenden, gräßlich weißen Augen.
    »Pssoberst Mirski?«
    »Ja! Wer spricht?«
    »Psch lopow. Ich hab’ Kameraden von unserem Schiff gesehen – und Hunderte mehr. Pssheer von Engeln, Oberst. PssCHKCHK ersten Gruppen sind runter. Hinter Ihnen, PSCHK oberst.«
    Er neigte sachte den Hals, behielt das Display im Auge und blickte rasch hinter und unter sich. Winzige weiße Punkte – Fallschirme – schwebten im bläulichen Dunst über dem Kammerboden. Er drehte sich rasch und sah weitere Fallschirmjäger in einem anderen Quadranten, die wie geplant absprangen, um die Aufzugeingänge in der Südwand der ersten Kammer zu besetzen. Wer sonst wäre so weit gekommen? Ein historischer Moment.
    Er sah das dunklere Loch in der Mitte der vorderen Wand. Keiner von ihnen hatte mehr als zwei Stunden Sauerstoffvorrat. Wie lange noch bis zum

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