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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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westlichen Rand jenseits des Atlantiks dämmerte heller als üblich ein bald gelbes, bald rotes, bald grünes Morgengrauen.
    Um die ganze Welt jagte das Lauffeuer, das nicht von Baum zu Baum, sondern von Stadt zu Stadt, von Kontinent zu Kontinent übersprang.
    Menschen waren dabei bloße Tannennadeln.

 
26. Kapitel
     
    Gerhardt und Lanier standen bei mehreren Gruppen von Soldaten, die den ebenerdigen Aufzugeingang bewachten. Gerhardt richtete das Fernglas nach oben. »Weiße Pünktchen«, sagte er, »wie Mücken. Die meisten kommen in diese Kammer. Aber eine ganze Menge wollen anscheinend weiter.« Er reichte Lanier das Fernglas.
    »In die zweite Kammer.« Der kühle Wind, der von der Kappe wehte, spielte mit Laniers Haar. Lanier verfolgte zwei der Pünktchen im Feldstecher anhand ihrer Kondensstreifen entlang der Achse. Er senkte das Fernglas und inspizierte das Verteidigungsaufgebot rings um die beiden wissenschaftlichen Lager.
    »Ja. Rechnen damit, daß wir hier mehr Leute haben, was auch der Fall ist.«
    Er hob das Fernglas wieder und sah breitere weiße Punkte in geringerer Höhe bei der Südkappe. »Fallschirme«, sagte er. »Die ersten sind jetzt in der Atmosphäre.«
    »Herrgott, was für ein Unternehmen«, sagte Gerhardt voller Bewunderung. Er nahm sein Funkgerät. »Südtunnel, kriegt Besuch. Bohrloch Augen auf!«
    Lanier konnte sich nicht konzentrieren. Er dachte über das Ablenkungsmanöver nach; hatten sie die Welt in Brand gesteckt, nur um hier einen Vorteil zu erlangen? Hofften sie, die Folgen durch Verhandlungen in den Griff zu bekommen und die Zahl der Opfer im Rahmen des Kleinen Tod zu halten? Er hatte plötzlich die Nase voll von den tausend verschiedenen, künstlichen Verhaltensmustern, die Regierungsvertreter und Militärs und Patrioten und Verräter und Soldaten entwickelten…
    Er wollte davonkriechen und schlafen.
    Ungewollt stellte er sich vor, wie Hoffman in ihrem Wagen nach Vandenberg fuhr, wo sie dem Wahnsinn zu entkommen hoffte.
    »Wissen sie’s?« fragte er.
    »Was?« sagte Gerhardt.
    »Wissen die Russen, daß der Tod gekommen ist?«
    Gerhardt, der nie in der Bibliothek gewesen war und nicht wußte, was Lanier längst bekannt war, runzelte die Stirn. »Was soll die Frage?«
    Lanier deutete nach oben. »Sie werden gleich mit uns kämpfen, aber wissen sie, daß inzwischen weder sie noch wir einen Oberbefehlshaber haben?«
    »Irgendeine Führerschaft wird sich schon ergeben«, sagte Gerhardt.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Und ob es eine Rolle spielt, verdammt noch mal!« brüllte Gerhardt spuckend, wischte sich den Speichel ab und wandte sich kopfschüttelnd ab. Er war hochrot im Gesicht. »Nur nicht den Mut verlieren, Garry. Wir brauchen jetzt jeden einzelnen Mann.«
    »Ich kämpfe«, sagte Lanier.
    »Ist nicht das erste Mal, was?« meinte Gerhardt verkrampft.
    »Zu Lande doch.« Verhaltensmuster. Nicht mal nach dem Jüngsten Tag geben sie Ruhe. »Wo ist meine Waffe?«
     
    Sie hatten es durchs zweite Bohrloch geschafft trotz des sporadischen Feuers von dort stationierten Soldaten.
    Wieder waren welche gestorben, wenn auch nicht viele…
    Würde er je zu fallen aufhören?
    Mirski drehte sich herum, um die Stadt zu betrachten…
    So eine Stadt hatte er noch nie gesehen!
    … während der Antrieb ihn hundert und zweihundert und dreihundert Meter vom Bohrloch wegschob. Er entdeckte den Orientierungspunkt, nach dem er Ausschau gehalten hatte – die Brücke, die den Fluß überspannte, der rings um die Kammer floß – und bewegte sich weg von der Achse der Kartoffel hin zur glimmenden Plasmaröhre.
    Andere Soldaten hatten im freien Fall die atmosphärische Barriere und Plasmaröhre schon überwunden. Ihr Informant hatte versichert, daß dieser Vorgang, sofern zügig ausgeführt, ungefährlich sei. Allerdings vertraute Mirski eher auf eigene Erfahrungen. Er konnte nicht sehen, ob seine Kameraden tot oder lebendig waren – wenn er sie überhaupt zu sehen bekam, dann waren sie so winzig, daß Details verborgen blieben.
    Die Perspektive änderte sich kaum, während er sich von der Achse entfernte.
    Es wunderte ihn wenig, wie egoistisch er im Moment eingestellt und wie groß sein Haß war. Mirski kannte diese Gefühle aus der Ausbildung oder den scheußlichen Ausdauertests. So empfinden Kämpfende, bei denen neben einer gewissen Portion Angst überwältigender Egoismus vorherrscht.
    Der Staat, das Vaterland, die Revolution waren ihm schnuppe. Dafür schämte er sich nicht.
    Er fiel,

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