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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Absprung?
     
    Im Lager der vierten Kammer hatte Carrolson es aufgegeben, die Mitglieder des wissenschaftlichen Teams zu organisieren. Die Sicherheitskräfte waren größtenteils abgezogen worden, so daß Unterkünfte, Cafeteria und Außenanlagen den Evakuierten überlassen blieben.
    Patricia saß mit rotziger Nase wie weggetreten in der Cafeteria und hörte kaum auf die Funksprüche, die immer wieder aus den Cafeterialautsprechern kamen. Die Signale des äußeren Satelliten wurden nach wie vor durchs Bohrloch gelenkt und am Eingang jeder Kammer umgesetzt. Elektronisches Geschwätz von Robotern, die sich seelenruhig opferten, die Gefechtsstationen und Außenposten im Orbit heimsuchten oder beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verstummten, um ein paar Millionen Menschen mehr heimzusuchen im Sinne einer Abschreckungspolitik, die inzwischen lediglich ein Garant für immer mehr Tote war.
    Außer Kontrolle, dachte Patricia.
    Spasmus. Zuckungen eines Sterbenden, letztes Aufbäumen. San Diego, Long Beach, Los Angeles, Santa Barbara. Spasmus.
    Farley und Chang umarmten sich weinend. Wu war still und gefaßt und saß wie eine Statue am Tisch. Rimskaya stand in der Ecke mit einer Flasche Scotch, die hundertprozentig geschmuggelt war, und trank alle paar Sekunden, bis er umkippte.
    Einige ehemalige Soldaten, die wieder das alte Gefasel anstimmten und die alten Rechnungen aufmachten, zogen nüchtern Bilanz und analysierten, wer im Vorteil sei, wer noch kampffähig sei, welche Kriegsschauplätze als nächstes eröffnet würden. »U-Boote unter den Eiskappen?«
    »Nein – die reservieren beide Seite für nachher.«
    »Was ist danach noch?«
    »Wen kümmert’s?«
    »Alles Scheiße!«
    Spasmus.
    Sie schloß die Augen, als wollte sie die Gedanken an das Zuhause aussperren, das Hitze und Strahlung in ein verkohltes Skelett verwandelten.
    Und drinnen, vom abschirmenden Haus etwas geschützt, bei lebendigem Leibe gebraten, aber nicht einmal verkohlt, und von der Druckwelle schließlich als Asche in alle Winde verstreut…
    Rita und Ramon.
    Farley tippte Patricia auf die Schulter und riß sie aus ihren Gedanken. »Wir können nicht mehr zurück«, sagte sie. »Die Ingenieure sagen, inzwischen ist keiner der Weltraumhäfen mehr übrig. Vandenberg, die Kosmodrome, Kennedy Space Center und sogar Edwards – alles ausradiert. Wir können auch nicht zum Mond gelangen. Haben nicht genug Schiffe und Treibstoff. Niemand wird die nächsten zehn, vielleicht zwanzig Jahre raufkommen. Das sagen die Ingenieure. Auch wenn uns in China noch ein paar unzerstörte Häfen geblieben sind, gibt’s doch keine Shuttles mehr, auf die wir vom OTV umsteigen könnten, falls wir so weit kämen.«
    Wu gesellte sich zu ihnen. »Von China hört man nichts mehr«, sagte er. »Rußland schießt noch immer. Jede Stadt, in der ich gewohnt habe, ist ausgelöscht. Wir haben in der Schule Katastrophenschutzübungen gemacht. Wir haben gewußt, wo die Bomben einschlagen. Die russischen Bomben und vielleicht auch die amerikanischen. Jede Stadt hat ihre Bomben gehabt.«
    »Wann ist die Beerdigung?« fragte jemand im Hintergrund. Niemand lachte über diesen unaussprechlich geschmacklosen Witz, der gar kein Witz war, denn Leichen muß man begraben.
    Aber wenn’s Milliarden Tote und Sterbende sind?
    Carrolson setzte sich neben Patricia. »Wayne und unser Sohn, sie sind tot, glaube ich. Weißt du, es dauert eine kleine Weile, bis man den Schmerz wirklich fühlt. Das Verwinden und Abfinden…« Ihre Wangen, die rot glühten, zuckten. »Der gemeine Rimskaya hat den ganzen Stoff allein gesoffen.«
    »Ich geh’ in die Bibliothek«, sagte Patricia.
    »Kannst du nicht«, erwiderte Carrolson. »Ist gesperrt.«
    »Ich muß was tun.«
    »Sicher.« Aber sie schlug keine Alternative vor.
    »He! Wir haben neue Bilder von den externen Kameras!« rief jemand. Der große Videobildschirm wurde ausgefahren und ans zentrale System gekoppelt.
    Patricia sah die Bilder nicht an. Sie hatte in der Bibliothek von Thistledown Satelliten- und Mondteleskopaufnahmen von der Verwüstung gesehen. Irgendwo auf der Erde – in Washington oder im Büro von Hoffman in Pasadena – wurden diese Bilder gerade von der Zerstörung, die sie illustrierten, eingeholt: ein apokalyptischer Ouroboros.
    Carrolson hingegen schaute mit verkniffenen Augen und Lippen zu.
    Stadt für Stadt blühte auf. Die Atmosphäre wallte bei jeder Explosion auf, als würde man eine gewaltige Stahlkugel in einen See werfen.
    Über dem

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