Äon - Roman
diesem Flur unterwegs.
Vor der großen Tür blieb er stehen und wandte sich kurz an seine beiden Begleiter.
Sie verstanden die wortlose Frage und nickten. Ja, sie waren bereit.
Singerer drückte die Klinke, öffnete die Tür und betrat das Vorzimmer.
Die Sekretärin stand an der Espressomaschine und drehte
sich erstaunt um. Rasch stellte sie die Tasse ab und versuchte, Singerer den Weg zu versperren. »Der Direktor hat zu tun und möchte nicht gestört werden.«
»Oh, wir stören ihn nicht«, erwiderte Singerer und setzte den Weg zur nächsten Tür fort. »Wir wollen nur mit ihm reden und etwas klären.«
»Aber Sie haben keinen Termin mit ihm vereinbart!«
»Haben wir nicht, nein.« Singerer lächelte und öffnete die zweite Tür, hinter der sich ein großes Arbeitszimmer erstreckte.
Polizeidirektor Alois Lechleitner blickte von seinem Schreibtisch auf und maß die Besucher mit einem kühlen Blick.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, Sie zu mir gebeten zu haben.«
»Ihr Gedächtnis trügt Sie nicht.« Singerer blieb vor dem Schreibtisch stehen, Rolf auf der linken und Irene auf der rechten Seite. Beide waren so wachsam, wie es die Umstände verlangten. Rolf hatte ein Handheld mitgebracht und hielt es so, dass Lechleitner das Display nicht sehen konnte.
»Pech beim Rasieren?«, fragte Lechleitner und deutete auf die Pflaster an Singerers Hals und Kinn.
»Eine Bombe. Bei mir sind’s nur ein paar Kratzer, aber Lothar Mehrendorf ist tot. Es stand alles in meinem Bericht.«
»Den ich bestimmt gelesen habe. Aber normalerweise merke ich mir nur die wichtigen Einzelheiten.« Lechleitner blieb sitzen und lud Singerer nicht ein, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. »Wie kommen Sie voran, Singerer?«
»Kessler ist tot.«
Lechleitner wölbte eine Braue. »Ja, ich weiß. Sie hätten ihn besser schützen sollen.«
»Was haben Sie mit dem Geld gemacht?«, fragte Singerer.
Der Polizeidirektor lehnte sich langsam zurück, und Singerer hielt vergeblich nach einer Veränderung in seinem Gesicht Ausschau. »Wie bitte?«
»Im Lauf der Zeit haben sich fast fünfzigtausend Euro angesammelt«, sagte Singerer. »Nicht besonders viel, aber auch kein Pappenstiel. Was haben Sie damit gemacht?«
»Ich verstehe kein Wort.«
Singerer nickte Rolf zu, der daraufhin das Handheld auf den Schreibtisch stellte.
»Eigentlich war es nicht weiter schwer, die Spuren des Geldes zu verfolgen«, sagte der junge Computerspezialist. »Man brauchte nur ein wenig Geduld. Die Beträge wurden mehrmals geändert, und Sie haben sogar eine falsche Identität benutzt, mit allem Drum und Dran.« Rolf drehte das Handheld und sah aufs Display, als erinnerte er sich nicht mehr an den Namen. »Ein gewisser Erik Norderstedt nahm das Geld schließlich in Empfang. Bei der Verkleidung haben Sie sich wirklich Mühe gegeben, aber moderne biometrische Software ist sehr leistungsfähig. Das gilt auch für die Analyse von Stimmmustern.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Roland Singerers Blick galt noch immer dem Polizeidirektor, und jetzt bemerkte er die erste subtile Veränderung in Lechleitners Gesicht. Hinter dem würdevollen Ernst zeigte sich so etwas wie faszinierte Neugier.
»Die Handy-Gespräche boten einen weiteren Hinweis«,
fuhr Rolf fort. »Wolfgang Kessler wäre Ihnen vielleicht selbst auf die Schliche gekommen, wenn ihm unsere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.«
»Warum?«, fragte Singerer.
Der Direktor sah ihn an. »Warum was?«
»Warum die Tipps an Kessler? Wegen des Geldes? Sie hätten mehr herausschlagen können, Krokus.«
»Krokus?«, wiederholte Lechleitner.
»Das Spiel ist aus«, sagte Singerer und deutete auf den Handheld-Computer. »Die Daten darin sind Beweis genug.« Im gleichen ruhigen Tonfall fügte er hinzu: »Hiermit mache ich Gebrauch von meinen Sondervollmachten und stelle Sie unter Arrest. Sie sind mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.«
Zwei oder drei Sekunden geschah nichts, und es herrschte Stille. Dann beugte sich Lechleitner langsam vor, streckte die Hand nach dem Handheld aus und zog das Gerät heran. Rolf hinderte ihn nicht daran. Schließlich ergriff er den kleinen Computer mit beiden Händen, hob ihn und rammte ihn mit dem Display voran gegen die Ecke des Schreibtischs, mit solcher Kraft, dass der Computer zerbrach.
»Von welchen Beweisen sprechen Sie?«, fragte Lechleitner und stand auf.
»Sie sollten es besser wissen«, erwiderte Singerer gelassen. »Oder
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