Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
auf damit , Bastian!« Anna schrie fast, und etwas in ihrer Stimme zwang ihn, sie anzusehen. »Hör auf damit, so infantil zu sein. Werd erwachsen. Du bist in großer Gefahr, sieh das endlich ein. Leugnen hilft nicht.«
    Einige Sekunden lang waren nur die Geräusche des Zugs zu hören. Sebastian versuchte, an Massimo zu denken und sich vorzustellen, wie er mit Anna im Bett gelegen hatte. Er wollte den alten Zorn heraufbeschwören, als Schutzschild vor Verlegenheit und Verantwortung. Aber es klappte nicht. Stattdessen hörte er ein wortloses Flüstern in seinem Innern, und plötzlich war sie da, bitter und unleugbar: die Erkenntnis, dass Anna recht hatte.
    »Danke«, sagte er leise.
    Sie wölbte die Brauen. »Wofür?«
    »Für die offenen Worte.« Sebastian seufzte. »Wie war das mit den Sapienti beziehungsweise Bewahrern?«
    »Anatoli hat als junger Mann eine Botschaft aus der Vergangenheit empfangen, die über Generationen hinweg weitergegeben wurde und dabei jedes Mal ein wenig von ihrem Inhalt verlor. Die Hüter dieses alten Wissens nannten sich › Sapienti ‹ . Die Botschaft warnt vor den Sechs, den Überlebenden einer Schlacht, die einst von Gilgamesch und seinen Getreuen gewonnen wurde - sie konnten damals nur deshalb den Sieg erringen, weil sie keine gewöhnlichen Menschen waren, sondern › Göttliches ‹ in sich trugen. Im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung öffneten Grabräuber in oder bei Jerusalem unwissentlich den Kerker der Sechs, wodurch sie in die Freiheit
zurückkehren konnten. Sie versuchten, sich zu treffen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, der ihnen sehr wichtig war. Das misslang ihnen sowohl im fünften Jahrhundert als auch im dreizehnten …«
    Sebastian erinnerte sich an Anatolis Worte. »Sie wollten unerkannt mit dem Kreuzzug der Kinder ins Heilige Land gelangen«, sagte Sebastian. »Aber irgendwie erfuhr der Papst davon, versagte dem Kreuzzug seine Unterstützung und sorgte dafür, dass er zu einem Desaster wurde.«
    »Ja. Anatoli hat darauf hingewiesen, und auch in der Schriftrolle ist die Rede davon: Der Rhythmus von fast achthundert Jahren scheint für die Sechs aus irgendeinem Grund von großer Bedeutung zu sein.«
    »Warum?«, fragte Sebastian.
    Anna zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber der Zyklus wiederholt sich jetzt erneut, und ich fürchte, das ist Teil unseres Problems. Die Sechs scheinen … Sporen oder Keime ausgebracht zu haben, mit Raffaeles Hilfe. Manche Menschen verloren dadurch den Verstand, brachten sich und andere um. Doch einige andere entwickelten sich weiter und begannen, einen alten Plan in die Tat umzusetzen.«
    Sebastian nickte langsam. »Die › Schlüsselpersonen ‹ . Jene Männer und Frauen, die andere Kontaminierte umbringen. Wie Simon Krystek.« Vor dem inneren Auge sah er noch einmal Krysteks sonderbares, wie zufriedenes Lächeln, bevor er trotz seiner schweren Verletzung fortlief. »Sie sind die Sechs?«
    »Darauf läuft es vermutlich hinaus«, sagte Anna. »Saat und Ernte. Sie haben die Saat ausgebracht, um Kraft zu sammeln, und jetzt holen sie die Ernte ein. Das, was in den Kontaminierten wächst.« Die nächsten Worte zeigten, dass Anna einem
Gedankengang gefolgt war, denn plötzlich gelangte sie zu einer Schlussfolgerung, die sie erschreckte. »Wenn das stimmt … Jemand von ihnen könnte versuchen, dich umzubringen!«
    »Nein«, sagte Sebastian. »Nein, das glaube ich nicht. Krystek hätte es im Hotel versuchen können, oder auf der Straße, als ich ihn verfolgte. Er schien … mir zeigen zu wollen, wozu ich fähig bin.«
    »Aber warum?«, fragte Anna.
    Warum?, dachte Sebastian und hatte plötzlich das Gefühl, in eine endlose Tiefe zu fallen. Für einige Sekunden fühlte er sich so allein wie nie zuvor in seinem Leben. Er schnappte nach Luft und saß zitternd da, während er gleichzeitig fiel, in kalte Endlosigkeit.
    »Bastian!« Anna starrte ihn an, und in ihren weit aufgerissenen Augen sah er den gleichen Gedanken.
    Er versuchte, ruhig zu sprechen. »Die Nephilim … Sie gehören zur Saat, sind aber nur ein kleiner Teil von ihr. Die anderen Teile sammeln … Energie. Doch die Nephilim … Wie viele sind es?«
    »Du glaubst doch nicht …?«
    »Ich wette, es sind sechs«, sagte Sebastian.
    Eine Zeit lang sahen sie sich stumm an, und in Annas Augen bemerkte Sebastian etwas, das sich wie Eis um sein Herz schloss. Sie sah ihn an wie einen Fremden, wie jemanden, dem sie nie zuvor begegnet war. Dann kehrten Mitgefühl und Anteilnahme

Weitere Kostenlose Bücher