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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bist … Erzähl mir mehr davon.«
    »In den christlichen Religionen gibt es neben Menschen noch andere Geschöpfe«, begann Anna. »Engel, Dämonen und so weiter. Auch in den übrigen Religionen teilen die Menschen die Welt mit anderen Geschöpfen. Und denk nur an die weltlichen Legenden und Sagen: In ihnen wimmelt es von übernatürlichen Kreaturen, die dem Menschen freundlich oder feindlich gesinnt sind: Gnome, Kobolde, Elfen, Feen und so weiter. Viele Geschichten berichten von Hybriden, hervorgegangen aus der Verbindung von Menschen mit anderen Wesen, Göttern, Teufeln oder wie auch immer man sie nennt.«
    »Wie zum Beispiel Gilgamesch«, warf Sebastian ein.
    »Ja, Bastian, wie der legendäre König von Uruk. Die Menschen früherer Jahrhunderte und Jahrtausende waren davon überzeugt, dass es außer ihnen noch andere mit häufig auch bösartiger Intelligenz ausgestattete Geschöpfe gab. Der moderne Mensch hingegen verlor diesen Glauben nach und nach. Aber wie heißt es so schön: Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt.«
    »Das sind ziemlich abgedroschene Worte«, sagte Sebastian enttäuscht. Er hatte mehr erwartet. »Wir haben heute die Instrumente der Wissenschaft, und damit …«

    »Wissenschaft und Religion schließen sich nicht aus, Bastian. Wir haben oft darüber gesprochen, erinnerst du dich? Mach nicht den Fehler, die Wissenschaft zu einer Religion zu erheben und nur das für Realität zu halten, was durch sie erklärt werden kann. Damit werden Grenzen gezogen, wo keine existieren sollten.«
    »Aber übernatürliche Wesen …«
    »Ich hatte einige Male Gelegenheit, mit Don Vincenzo darüber zu sprechen«, sagte Anna nachdenklich, während draußen der beginnende Abend die Schatten länger werden ließ. »Er glaubte fest an die Existenz des Teufels, weil er ihn angeblich oft in Aktion gesehen hat. Er glaubte auch an Engel, denn er kannte Menschen, die welchen begegnet waren.«
    »Er hat auch geglaubt, dass Raffaele etwas Göttliches in sich trägt«, warf Sebastian ein. »Und damit lag er eindeutig falsch.«
    »Außerdem geht die katholische Kirche davon aus, dass Dämonen existieren - ihre Exorzisten sind keineswegs arbeitslos.«
    »Humbug«, brummte Sebastian, schaute nach draußen und beobachtete die Lichter der Dörfer, an denen der Zug vorbeirollte.
    »Hör auf damit, Sebastian.« Diesmal nannte Anna seinen vollen Vornamen. »Hör endlich auf damit.«
    Er richtete einen erstaunten und fragenden Blick auf sie.
    »Hör endlich auf mit diesem › Ich stehe über diesen Dingen ‹ -Gehabe«, sagte Anna. »Das hat mich immer an dir gestört. Es ist so etwas wie intellektuelle Arroganz. Du akzeptierst das, was andere Menschen glauben, nur dann, wenn es deiner eigenen Meinung entspricht.«

    »Jetzt übertreibst du.«
    »Nein, ich übertreibe nicht. Lern endlich, auch die Dinge zu akzeptieren, die dir nicht in den Kram passen.«
    Sebastian fühlte sich in die Defensive gedrängt. »Zum Beispiel?«
    »Du willst Beispiele von mir hören? Wovon reden wir denn gerade?« Echter Ärger zeigte sich auf Annas Gesicht. »Du glaubst, der Wirklichkeit zu entkommen, wenn du sie leugnest. Du bist wie der Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt und glaubt, nicht gesehen zu werden. Deine Visionen von Nikolaus und dem Kinderkreuzzug nennst du Halluzinationen. Und die Nephilim sind für dich religiöser Firlefanz oder › Stuss ‹ , woraus folgt, dass auch keiner in dir existieren kann. Problem gelöst, nicht wahr? Aber so einfach ist das nicht, und das solltest du endlich begreifen. Der Alkohol passt ins Bild. Eine weitere Möglichkeit, der Realität zu entfliehen.«
    Die letzten Worte trafen ihn besonders. Sebastian spürte sogar, wie er errötete, und er versuchte es zu verbergen, indem er erneut aus dem Fenster sah.
    »Glaubst du, ich wüsste nichts davon?«, fuhr Anna fort. »Man braucht nur zu beobachten, wie du Wein trinkst und dabei zur Flasche schielst. Und ich weiß, dass du in Hamburg noch mehr getrunken hast als während unserer letzten Monate.«
    »Woher …«, begann Sebastian.
    »Wolfgang hat mich einmal im Krankenhaus angerufen, als du besoffen vor seiner Wohnungstür gelegen bist.«
    Sebastians Gesicht glühte, und er blickte weiterhin nach draußen. Jener Zwischenfall lag einige Monate zurück, und er war nicht besonders stolz darauf.

    »Außerdem gibt es in Hamburg einige gemeinsame Bekannte.«
    »Oh, du hast mich also beobachten lassen …«
    » Hör

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