Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Linie … Plötzlich wusste Sebastian, was es mit ihr auf sich hatte. Anna war bereits herumgewirbelt, und Sebastian drehte langsam den Kopf. Nicht einmal drei Meter entfernt stand jemand, der einen Motorradanzug aus schwarzem Leder trug, und auf dem Kopf einen Helm so rot wie die Linie,
die Sebastian von ihm ausgehen sah. In der rechten Hand hielt der Mann eine Waffe und richtete sie auf Béla. Mit der freien Hand klappte er das Helmvisier hoch. Sichtbar wurde ein schmales Gesicht mit zwei auffallend tief in den Höhlen liegenden Augen und einer etwas zu großen Nase. Sebastian hatte es schon einmal gesehen, in Riga, im Reval Hotel Latvija.
    »Simon Krystek«, sagte er.
    »Ein Name, der nicht mehr viel bedeutet«, erwiderte die dunkle Gestalt mit der Waffe. »Ein anderer ist wichtiger.«
    »Sie sind uns gefolgt.«
    »Du hast deine Aufgabe erfüllt und uns zum Letzten gebracht. Jetzt geht keine Gefahr mehr von ihnen aus.«
    Béla riss sich los und stob davon. Er lief, so schnell er konnte, aber die Pistolenkugel war viel schneller und traf ihn am Hinterkopf. Blut spritzte auf die graue Gebäudewand; der alte, untersetzte Ungar ging zu Boden und rührte sich nicht mehr.
    Sebastian sprang an Anna vorbei, die den Mund wie in Zeitlupe zu einem Schrei öffnete. Alles verlangsamte sich - die Fahrzeuge krochen nur noch über die Straße, und das Heulen der Sirenen wurde zu einem Brummen, dem Grundton in der Symphonie des Lebens nicht unähnlich. Eigentlich war es ganz leicht, dieses Stadium der Beschleunigung zu erreichen: Er brauchte sich nur ein wenig dem Nephilim zu öffnen, einen Teil seines Potenzials aufzugreifen …
    Plötzlich lag Sebastian auf dem Boden, ohne Erinnerung an die vergangenen Sekunden und mit leeren Lungen. Er schnappte nach Luft, rollte sich auf die Seite und sah Bélas im Tod erschlafftes Gesicht, die Augen groß und ihr Blick wie anklagend auf ihn gerichtet. Sie haben ihn zu mir geführt .

    Er versuchte, auf die Beine zu kommen, und eine Stimme machte es ihm erstaunlich leicht. »Steh auf.«
    Sebastian stand auf, ohne dass der Wille an den Bewegungen seines Körpers beteiligt war. Simon Krystek stand an einer der Tanksäulen, die Zapfpistole in der Hand. Die Autos rollten noch immer im Schneckentempo über die Straße, mit einem gleichmäßigen dumpfen Brummen, und Anna stand einige Meter entfernt, den Mund noch immer zu einem Schrei geöffnet.
    »Du hast uns gute Dienste geleistet«, sagte Simon Krystek, der »Nikolaus« an die Decke seines Schlafzimmers geschrieben hatte, bevor er dem Nephilim in ihm zum Opfer gefallen war. »Die Sapienti sind ausgelöscht, nach all den Jahrhunderten.«
    Die Autos auf der Straße wurden etwas schneller.
    »Und du wehrst dich noch immer«, fügte Krystek hinzu. »Eine Vergeudung von Kraft. Nun, bald spielt es ohnehin keine Rolle mehr.« Seine Lippen bewegten sich weiter, doch Sebastian hörte keine Worte, sondern Geräusche, die wie Meer und Wind klangen. Bilder stürmten auf ihn ein, wirr für ihn, aber nicht für den Fremden in seinem Innern. Er antwortete, in der Sprache der Nephilim, ohne zu wissen, was er sagte.
    Benzin spritzte aus der Zapfpistole, und alle Bewegungen gewannen normale Geschwindigkeit zurück. Annas Schrei erklang, und in dem Kassengebäude gingen Menschen in Deckung. Ein Mann lief zu seinem SUV, sprang ans Steuer, startete den Motor und gab Gas. Krystek drehte die Zapfpistole ein wenig, und Benzin klatschte gegen die Seite des großen Wagens. Die andere Hand richtete die Pistole auf das kaum zu verfehlende Ziel und drückte ab. Es knallte mehrmals, und plötzlich stand der SUV in Flammen - hinter den Zapfsäulen rammte er die Wand des Gebäudes und brannte lichterloh. Ein
Teil des Benzins schien den Fahrer getroffen zu haben, denn er brannte ebenfalls, als er ausstieg, um sich schlug, auf die Knie sank und nach vorn kippte.
    Das Feuer loderte Anna entgegen.
    Sebastian wollte zu ihr eilen, sie packen und zur Seite reißen, fort von den donnernden Flammen. Er kam zwei Schritte weit, dann wurde der Widerstand, gegen den er ankämpfen musste, zu groß - die Luft vor ihm schien sich in zähen Brei zu verwandeln.
    Krystek näherte sich, und sein Lächeln blieb halb im Helm verborgen, als er die Zapfpistole auf Anna richtete. »Sie ist nur ein Mensch«, sagte er.
    Verzweiflung packte Sebastian. Er warf sich nach vorn, befahl Beinen und Armen, ihm zu gehorchen. Der Widerstand war noch immer da, schien aber nicht mehr ganz so stark zu sein - er

Weitere Kostenlose Bücher