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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Computer!«
    Torensen trat einen Schritt auf sie zu.
    Die Frau erhob sich mit einer fließenden Bewegung und kam langsam näher. Sie ging nicht wie ein Modell auf dem Laufsteg, aber doch mit katzenhafter - oder raubtierartiger - Eleganz. Erstaunlicherweise brachten die Bewegungen auch Kraft zum Ausdruck, obwohl Yvonne Jacek alles andere als kräftig gebaut war.
    »Wie neugierig Sie doch sind«, sagte Yvonne. »Dauernd versuchen Sie, den Dingen auf den Grund zu gehen.« Bei diesen
Worten ging sie um ihn herum, und Torensen wollte die Gelegenheit nutzen, zum Computer eilen und ihn ausschalten. Außerdem lag seine Dienstwaffe in der obersten Schublade.
    Aber er musste feststellen, dass er sich plötzlich nicht mehr bewegen konnte. Oder wollte er es nicht? Nichts hielt ihn fest. Sein Wille schien irgendwie gelähmt zu sein.
    Yvonne Jacek erschien wieder vor ihm, streckte die Hand aus und berührte ihn mit der Kuppe des Zeigefingers an der Nase. »Diese Nase hier … Dauernd stecken Sie sie in irgendwelche Dinge und schnüffeln herum.«
    »Was ist mit Ihnen geschehen?«, fragte Torensen. Das Sprechen fiel ihm nicht schwer. »Als Sie in Drisiano waren, bei dem Jungen … Was geschah dort mit Ihnen? Oder was geschah nachher?«
    Yvonne ließ die Hand sinken, und in ihrem Gesicht kam es zu subtilen Veränderungen. Das Lächeln wirkte etwas weniger spöttisch und dafür hintergründiger. Das ovale Gesicht mit der glatten Haut schien zu altern, und das Funkeln in den großen Augen wirkte plötzlich kalt.
    »Du bist zu neugierig, Alexander«, sagte sie, und auch die Stimme klang nun anders.
    Yvonne trat einen Schritt zurück und holte ein etwa zwanzig Zentimeter langes Messer unter ihrer hüftlangen grünen Jacke hervor. Die Klinge blitzte im Licht der nahen Lampe.
    Ärger und Verdruss verschwanden schlagartig aus Torensen. Erschrocken starrte er auf das Messer, und Angst packte ihn.
    »Was haben Sie vor?«, krächzte er. Es war die zweite dumme Frage an diesem Abend.
    »Was kann man mit einem Messer machen?«, sagte die Frau und betrachtete die Klinge. »Schneiden? Stechen?«

    Vielleicht war es die Panik, die Torensen von der seltsamen Lähmung befreite. Plötzlich lief er los, war mit einigen schnellen Schritten beim Schreibtisch, riss die Schublade auf und holte die Pistole hervor. Er entsicherte sie, während er sich umdrehte, hob die Waffe und zielte auf Yvonne Jacek.
    Sie war ihm nicht gefolgt. Ruhig stand sie da und beobachtete ihn mit einem halben Lächeln.
    »Schluss damit«, sagte Torensen und holte tief Luft. Er fühlte sich wieder als Herr der Lage. »Sie sind hiermit verhaftet. Lassen Sie das Messer fallen.«
    Aus dem halben Lächeln der Frau wurde ein ganzes, als sie langsam näher kam. Das Messer hielt sie wie beiläufig in der rechten Hand.
    »Bleiben Sie stehen«, sagte Torensen. »Ich warne Sie. Ich bin wirklich bereit, von dieser Waffe Gebrauch zu machen.«
    »Oh, ich weiß, dass du dazu bereit bist, Alexander«, erwiderte Yvonne mit melodischer Stimme. »Jetzt, in diesem Augenblick. Aber gleich? Die Gegenwart ist nur ein flüchtiger Moment.«
    Torensen zielte auf den Arm, der das Messer hielt. Er wollte abdrücken, aber von einem Augenblick zum anderen war sie wieder da, die seltsame Lähmung, und es gelang ihm einfach nicht, den Finger am Abzug zu krümmen.
    »Und was ist mit dem menschlichen Willen?«, fuhr die Frau fort. »Ist er nicht ebenso flüchtig wie der Moment, der die Gegenwart bildet? Wie ein kleines, unstetes Tier, immer auf dem Weg von hier nach dort, ohne jemals sein Ziel zu erreichen. Und wie leicht man es erschrecken kann, das kleine Geschöpf des Willens. Es genügt, in die Hände zu klatschen, und schon ändert es die Richtung.«

    Yvonne hob beide Hände und klatschte, wobei das Messer sie ein wenig behinderte. Mit neuem Entsetzen beobachtete Torensen, wie er die Waffe hob, langsam und ohne dass seine Hand dabei zitterte, wie er den Lauf an die Schläfe hielt. Der Zeigefinger krümmte sich ein wenig, und der Abzug geriet in Bewegung …
    Nein, verdammt, ich will nicht sterben!, riefen Torensens Gedanken.
    Die Hand ließ die Waffe wieder sinken, ohne dass er an diesem Vorgang beteiligt war. Der Arm bewegte sich von allein.
    »Siehst du, mein lieber Alexander, du weißt gar nicht, was du willst.« Die blonde Frau lächelte erneut. »Aber ich weiß, was ich will.«
    Sie kam noch näher, beugte sich vor, neigte den Kopf ein wenig zur Seite …
    Sie küsste ihn, und Torensen reagierte,

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