Äon - Roman
Globus aus Holz stand, der die Welt so zeigte, wie man sie sich vor einigen Jahrhunderten vorgestellt hatte. Dieser Mann war es, der Gabriels besondere Aufmerksamkeit weckte. Er blieb halb im Schatten verborgen, wirkte jedoch irgendwie vertraut.
»Dies ist eine inoffizielle Begegnung«, sagte Bischof Munari.
Gabriel brachte diesen Hinweis mit dem Mann im Schatten in Verbindung, und plötzlich wusste er, um wen es sich handelte: Dort saß Ignazio Giorgesi, der zu den engsten Beratern des Papstes gehörte. Es ging also um eine wichtige Angelegenheit. Vielleicht war sie sogar noch wichtiger, als er bisher angenommen hatte.
»Sie sind auf den ausdrücklichen Wunsch des Papstes hier«, fügte Munari hinzu. »Und gleichzeitig weiß er nichts von Ihnen.«
»Ich verstehe«, sagte Gabriel.
Der Bischof trat etwas näher. »Ich habe Sie mir älter vorgestellt. Wie alt sind Sie?«
»Einundvierzig.«
»Und wie viele Exorzismen haben Sie durchgeführt?«
»Mehr als vierhundert.«
Munari sah sich kurz zu den anderen Personen um, richtete den Blick dann wieder auf Gabriel. »Das klingt nach viel, aber Don Gabriele Amorth hat fast achtzigtausend Exorzismen hinter sich.«
»Er hatte fünfundzwanzig Jahre Zeit dafür«, erwiderte Gabriele ruhig. »Und früher arbeitete er sieben Tage die Woche. Als er jünger war, führte er manchmal fünfzehn oder sechzehn Exorzismen an einem Tag durch.«
»Dies wird kein normaler Exorzismus sein …«
»Ich nehme an, er ist ebenfalls … inoffiziell?«
Der Bischof stand so nahe, dass Gabriel sehen konnte, wie sich seine Züge ein wenig verhärteten. »Ja«, bestätigte er.
»Er ist der Beste«, kam eine Stimme aus der Ecke. »Nach Gabriel Amorth. Deshalb ist er hier. Ich bin sicher, wir können ihm und seinen Assistenten vertrauen.«
Der Mann am niedrigen Tisch stand auf und näherte sich. Er war nicht ganz so groß wie Munari, aber ebenfalls schlank. Sein Haar war dicht und dunkel, vielleicht gefärbt, und sein Blick war der eines Menschen, der viel gesehen hatte. Sein Alter war schwer zu schätzen. Um die fünfzig, vermutete Gabriel.
»Wir dachten, ein echtes Wunder zu haben«, sagte Ignazio Giorgesi. »Ein Geschenk Gottes für Seine Kirche. Bischof Munari war so sehr davon überzeugt, dass er hierher in den Vatikan kam und den Papst um eine öffentliche Anerkennung des Wunders bat. Und nicht ohne Grund, wie es schien, denn der Junge, von dem ich spreche, heilte Todkranke, offenbar mit göttlicher Kraft.«
»Raffaele«, sagte Gabriel.
»Ja. Der Bischof wollte sogar einen Wallfahrtsort in Kalabrien
schaffen, so groß wie Lourdes«, betonte Giorgesi mit einem kurzen Blick auf Munari, dem dies unangenehm zu sein schien. »Doch als die Menschen, die voller Hoffnung zu dem Jungen kamen und sich von ihm helfen ließen, in ihre Heimat zurückkehrten, wurden viele von ihnen wahnsinnig und zu Mördern. Irgendetwas … veränderte sie, als sie bei Raffaele waren.«
»Raffaele ist hier, nicht wahr?«, fragte Gabriel.
Giorgesi deutete auf die Tür neben dem Sessel, in dem er gesessen hatte. »Er befindet sich dort drin. Wir möchten, dass Sie herausfinden, was mit ihm los ist.«
Gabriel wechselte einen kurzen Blick mit seinen Assistenten. »Sehen wir uns den Jungen an.«
Ignazio Giorgesi öffnete die Tür und ging hindurch, gefolgt von Gabriel und seinen beiden Begleitern. Im Nebenzimmer war es kaum heller. Heiligenstatuen zeichneten sich im matten Licht ab, das die Fensterläden passieren ließen. Bilder früherer Päpste hingen an den Wänden. In der Mitte des Zimmers stand ein Bett, und darauf lag ein Junge, gekleidet in ein nachthemdartiges Gewand. Er trug keine Fesseln, lag aber völlig reglos da und starrte an die Zimmerdecke. Gabriel folgte seinem Blick und sah ein Deckenfresko, das Gottes Hand zeigte, den Sterblichen entgegengestreckt.
Bischof Munari und die anderen vier Männer, die er nicht vorgestellt hatte, kamen ebenfalls herein, aber Gabriel schüttelte den Kopf. »Bitte bleiben Sie draußen.«
»Ich möchte sehen, was hier geschieht«, sagte Munari.
»Sie würden mich ablenken«, gab Gabriel zu bedenken. Er stellte seine Tasche auf einen kleinen Tisch und begann damit, sie auszupacken. »Und es wäre zu gefährlich für Sie. Ich kann
Ihre Sicherheit nicht einmal dann garantieren, wenn Sie nebenan bleiben.«
»Unsere Sicherheit?«, fragte einer der Männer in Zivil.
Gabriel nahm eine Flasche mit Weihwasser und stellte sie auf den Tisch. »Wenn der Junge von einem
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