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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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spät kam. Als er den Kopf hob, sah er eine Frau, die langsam durch die Tür trat.
    »Wie dumm von ihm«, sagte sie. »Vielleicht hätte ich ihn am Leben gelassen, wie die anderen. Aber er hat versucht, mich aufzuhalten. Wie dumm.«
    Gabriel richtete sich auf, aber als er versuchte, zur Seite zu treten, stellte er fest, dass ihm die Beine nicht mehr gehorchten. Er stand dicht neben dem päpstlichen Berater Ignazio Giorgesi, der ebenfalls erstarrt zu sein schien, die Augen aufgerissen hatte und beobachtete, wie sich die Frau dem Toten näherte. Dort bückte sie sich und zog den Dolch aus der Stirn; mehr Blut quoll aus der tödlichen Wunde auf den Boden.

    »Komm, Raffaele«, sagte die Frau und streckte die Hand aus. »Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, um dich zu holen.«
    Der Junge verließ das Bett, eilte lächelnd zu der Frau und ergriff ihre Hand.
    »Nein … Raffaele …«, brachte Gabriel mühsam hervor. Er nahm seine ganze innere Kraft zusammen. »Bleib … hier.«
    »Bist du auch so dumm wie dieser Mann?«, fragte die Frau und deutete auf den Toten. Sie kam näher, mit Raffaele an ihrer Seite, und richtete den Dolch auf Gabriel. »Wie sehr du auch versuchst, Widerstand zu leisten …«
    Die Spitze des Dolchs berührte Gabriel an der Stirn und ritzte die Haut, doch er fühlte nur dumpfen Schmerz. Die Frau stand dicht vor ihm, und er spürte ihre Ausstrahlung, eine Art … kaltes Feuer. Sie hatte glattes blondes Haar und große grünblaue Augen, in denen sich das Licht der Kerzen widerspiegelte. Sie beugte sich vor, und plötzlich schienen ihre Pupillen zu wachsen, bis sie die Augen ganz ausfüllten, aber nur für eine Sekunde, mehr nicht.
    »Eure Symbole und Zeichen sind so dumm wie ihr. Hast du wirklich geglaubt, damit bei Raffaele irgendetwas bewirken zu können?«
    Gabriel wusste plötzlich, was die Spitze des Dolches in seiner Stirn hinterließ: ein blutiges Kreuz.
    Raffaele sah zu der Frau auf, und sie nickte, ohne dass er etwas gesagt hatte. »Ja, gehen wir. Dies hat mich viel Kraft gekostet, und wir sind noch längst nicht stark genug. Verlieren wir keine Zeit.«
    Sie gingen zur offenen Tür, und dort drehte sich die Frau noch einmal um, lächelte, holte mit dem Dolch aus und warf ihn. Er raste auf Gabriel zu - und verharrte, wie von unsichtbarer
Hand gehalten, wenige Zentimeter vor seinem linken Auge.
    »Glaubst du, dein Gott hat den Dolch angehalten?«, fragte die Frau spöttisch. Sie ließ die Wurfhand sinken, und der Dolch fiel zu Boden. »Soll ich dir zeigen, was es mit deinem Glauben auf sich hat?«
    Gabriel schloss die Augen, ohne es zu wollen, und als er sie wieder öffnete, sah er die dicke, hohe Säule aus weißem Marmor. Sie fühlte sich kühl und fest an unter seinen Händen, und er lehnte dankbar die Stirn daran. Doch dann fühlte er eine leichte Vibration, die schnell stärker wurde, und er beobachtete erschrocken, wie die feinen Linien der Maserung wuchsen und sich ausdehnten. Die mächtige Säule, bisher unerschütterlicher Mittelpunkt seines Wesens, erbebte immer heftiger. Oben lösten sich kleine Brocken aus ihr und fielen herab. Gabriel presste sich an die Säule und versuchte, die Arme um sie zu schlingen. Ein Donnern kam aus der Ferne, schwoll immer mehr an und wurde so laut, dass er sich die Hände auf die Ohren presste.
    Vor Gabriel zerbarst die Säule, Zentrum und Angelpunkt seines Lebens.

24
    Hamburg
    W olfgang Amadeus Kessler und seine engsten Mitarbeiter saßen in einem Besprechungszimmer der Zack! -Redaktion und planten die nächste Ausgabe. Es ging um die Russenmafia in Hamburg und ihre Verbindungen zu den italienischen Paten, um Korruption bei einem neuen Bauprojekt in Elmsbüttel und um Kokain schnüffelnde Senatoren - einer von ihnen hatte an einer Sexparty teilgenommen, neben der das erotische Nazi-Abenteuer des FIA-Chefs Max Mosley spießbürgerlich anmutete. Zack! war dabei gewesen, hautnah, und auf dem Tisch lagen Fotos zur Auswahl. Die junge Isabel betrachtete sie nacheinander und verzog mehrmals das Gesicht.
    Schließlich kamen sie auf Drisiano zu sprechen. »Wir haben begonnen, die Personen auf der Liste zu überprüfen, die Sebastian Vogler uns geschickt hat«, sagte Bertram, der gern im Außendienst arbeitete und sein Büro nur dann aufsuchte, wenn es sich nicht vermeiden ließ. »Ich meine natürlich diejenigen, die in Hamburg und Umgebung wohnen. Drei von ihnen sind heute verschwunden, unter ihnen ein gewisser Arnim Sennstett, der deutliche

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