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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einer Regierung, die sich für unfehlbar wähnt! Die Amis weiden ihre Politskandale immerhin reichlich aus.«
    Sie redeten zwei Stunden lang. Pogodin kehrte zurück. Er hörte aufmerksam zu und legte hie und da die Stirn in Falten, wenn ihm etwas missfiel. Nur einmal unterbrach er und fragte: »Haben die Amis noch nicht gemerkt, wie korrupt sie sind?«
    Mirski nickte. »Freilich wissen sie’s – zumindest in den Fällen, die ihre Presse aufzudecken vermag.«
    »Aber ist ihre Presse nicht abhängig?«
    »Manipuliert, ja«, räumte Mirski ein. »Aber die Kontrolle ist nicht lückenlos. Sie hatten Tausende von Historikern, von denen jeder eine eigene Meinung vertrat. Ihr Geschichtsbild war etwas konfus, aber absichtliche Entstellungen wurden für gewöhnlich als solche entlarvt.«
    Pogodin blickte von Vielgorski zu Mirski und ging dann zum Ausgang des Raums.
    »Was wir über Stalin erfahren haben, über Chruschtschow, Breschnew und Gorbatschow …« Vielgorski ließ den Satz kopfschüttelnd unbeendet.
    »Unterscheidet sich von dem, was unseren Vätern gesagt worden ist«, vervollständigte Mirski, »und deren Vätern davor.«
    Und sie redeten noch eine Stunde, diesmal übers Leben im Militär. Mirski schilderte, wie er um ein Haar politischer Offizier geworden wäre. Vielgorski erläuterte die beschleunigte Ausbildung, die er und die anderen Zampoliten durchlaufen hatten, bevor sie mit den Schocktruppen vom Indischen Ozean starteten.
    »Also sind wir gar nicht so verschieden voneinander«, folgerte Vielgorski, während Mirski ihm aus einer Thermoskanne Wasser in eine Tasse goss. »Sie kennen die Pflichten eines politischen Offiziers – die Verantwortung für die Partei, die Revolution …«
    »Was für eine Revolution?«, fragte Mirski leise.
    Vielgorski wurde rot. »Wir haben nach wie vor der Revolution treu zu sein. Unser Leben, unsere geistige Gesundheit hängen davon ab.«
    »Die Revolution beginnt hier und jetzt«, erwiderte Mirski. »Wir werfen den Ballast der Vergangenheit über Bord.«
    Sie musterten einander lange und schwiegen noch, als Pogodin wiederkam; der setzte sich neben sie und drehte nervös Däumchen.
    »Die Macht muss geteilt«, sagte Vielgorski, »die Partei wiedergegründet werden.«
    »Aber nicht durch Mord und Totschlag«, wandte Mirski nachdrücklich ein. »Davon ga b’s genug. Viel zu lange hat in Russland im Namen der Revolution und Partei Mord und Totschlag geherrscht. Schluss damit!«
    Vielgorski kramte eine altertümliche goldene Taschenuhr hervor. »Belozerski und Jazikow werden inzwischen toben. Man kann nicht sagen, was sie tun werden, wenn sie nichts von mir hören.«
    »Das macht sie nur schwächer«, sagte Mirski. »Lassen wir sie ruhig eine Weile zappeln!«
    Vielgorski grinste wölfisch und erhob tadelnd den Zeigefinger. »Raffiniert. Ich weiß, was Sie sind. Ein Visionär. Ein abweichlerischer Visionär.«
    »Und der Einzige, mit dem Sie unbesorgt die Macht teilen können«, fügte Mirski hinzu. »Sie wissen, irgendwann werden Sie drankommen. Sie können ihnen ebenso wenig trauen wie einem tollen Hund.«
    Vielgorski wirkte nicht überzeugt.
    »Vielleicht verstehen wir uns jetzt.«
    Vielgorski zuckte mit den Achseln und ließ die Mundwinkel hängen.
    Um zwölf Uhr des nächsten Tages richtete Pogodin die Funkantenne des Lasters aufs südliche Bohrloch, und Vielgorski übermittelte eine Nachricht für Jazikow und Belozerski:
    »Unsre Truppen in der vierten Kammer haben Mirski und seine Gefolgsleute in der Bibliothek der dritten Kammer festgenommen. Kommt her! Prozess findet in der Bibliothek statt.«

42
    Sie verfolgten schweigend, wie der rote Strich der Singularität sie zum schwarzen Schild leitete. Lanier gesellte sich nach hinten zu Farley und Carrolson, die versuchten, den Instrumenten brauchbare Ergebnisse abzuringen.
    »Es nähert sich was an der Singularität. Eine Maschine, groß und schwarz«, erklärte Heineman. »Mit flottem Tempo …« Lanier zwängte sich nach vorne.
    Rittlings auf dem rotglühenden Strich näherte sich ihnen eine Maschine, die doppelt so dick wie der Röhrengleiter war und einen runden Querschnitt und eine schwarz glänzende Oberfläche hatte. Leuchtend rote Linien bildeten ein symmetrisches Muster aus Quadraten und Rechtecken. Lanier verfolgte staunend, wie die Quadrate und Rechtecke sich öffneten und eine Reihe von beweglichen Greifarmen zum Vorschein kam. Bald glich das Ding einer Tiefsee-Tauchglocke oder dem Schweizer Armeemesser eines Irren.

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