Aeon
Minuten und mehrmaligem Klopfen machte Patricia endlich auf und winkte ihn herein. Ihr Haar war zerzaust. Sie trug das Gleiche wie am Strand.
»Wollte nur nachsehen, wi e’s dir geht«, sagte Lanier, der unbeholfen im Zimmer stand und nicht wusste, ob er die Arme verschränken oder an den Seiten hängen lassen sollte.
»Ich denke nach«, sagte Patricia und wandte sich ihm zu. Ihre Augen waren traurig. »Wie lange?«
»Wie lange du schon hier bist?«
»Ja.«
»Zwölf Stunden. Es ist dunkel draußen.«
»Ich weiß. Ich musste Licht machen, bevor ich aufmachte. Ist wie ein Hotel hier. Ist’s ja wohl auch. Altmodisch. Anheimelnd. Auf die Grundlagen besinnen. Das hat der Präsident gesagt.«
»Was redest du da für ein Zeug?«, meinte Lanier. »Fehlt dir was?«
»Ich kann nicht aufhören zu denken. Ich bin im Zustand – so nenn ich das, wenn ich intensivst denke. Seit zwölf Stunden jetzt. Und noch immer. Ich kann fast nicht mit dir reden, weißt du?«
»Und über was denkst du nach?«
»Heimkehr. Darum dreht’s sich letztendlich.«
»Olmy sagte …«
»Garry, ich hebe ab. Ich ende wie dieser Schelm, verzerrt und unwirklich. Ich kann nicht aufhören zu denken. Der An walt des Präsidenten sagte … Garry, ich brauche Hilfe. Ich brauch Ablenkung.«
»Was?«, fragte Lanier. Sie streckte den Arm aus und winkte. Er nahm ihre Hand.
»Ich bin ein Mensch, richtig? Ich bin aus Fleisch und Blut. Ich bin kein Computer oder Programm.«
»Du bist ein Mensch«, bestätigte Lanier. »Ich spüre dich.«
»Da bin ich mir gar nicht sicher. Du kannst dir nicht vorstellen, was in mir vorgeht. Ich sehe … ich meine, es ist nichts Künstliches, nichts Hinzugefügtes oder so. Es kommt von mir, vom vielen Berechnen und Theoretisieren. Ich sehe Universen, die zusammengeballt, zusammengeknüllt sind wie Buchseiten, und ich kenne die Seitenzahlen. Olmy hat mir nicht geglaubt, nicht hundertprozentig. Aber ich bin immer noch überzeugt, dass ich recht habe. Sie haben dieses Gerät zum Toröffnen in verschiedenen Größen. Wenn ich so eins kriegen könnte, dann könnte ich uns alle heimführen. Dorthin, wo alles noch in Ordnung ist. Ich kenne die Seitenzahl.«
»Patricia …«
»Lass mich reden!«, schoss sie zurück. »Dorthin, wo kein Atomkrieg stattgefunden hat. Wo mein Vater Tiempos de Los Angeles liest. Wo Paul auf mich wartet. Das denke ich, aber nicht nur das. Der Präsident sagt, sie können die Axis City durch den Korridor, den Weg schicken – mit relativistischen Geschwin digkeiten. Relativistisch! Den Feind auslöschen. Das wird nicht klappen. Aber …«
»Langsam, Patricia!«
»Ich kann nicht, Garry! Ich brauche den Kontakt!« Sie hielt seine Hand fester. »Ich brauche Paul, aber er ist noch tot, bis ich ihn finde. Du hilfst mir. Bitte!«
»Wie?«
Sie kniff die Augen zusammen, als würde ihr ein Sturm ins Gesicht blasen, und rang sich ein zaghaftes Lächeln ab. »Der Weg würde sich weiten wie eine Trompete. Falls ein großes relativistisches Objekt an der Singularität entlanggleiten würde. Würde sich aufblähen. Würde die Tore schließen, einfach zuschweißen.«
»Wie kann ich dir helfen? Ich hole Carrolson.«
»Nein, bitte. Nur du. Ich habe Notizen gemacht.« Sie hielt ihre Tafel hoch. Die Anzeige war voller Zahlen, die für Lanier keinerlei Sinn ergaben. »Ich hab den Beweis. Lasst mich zu dem Punkt im geometrischen Haufen … und ich kann uns herausholen!«
»Patricia, du hast gesagt, ich kann dir helfen.«
»Schlaf mit mir!«, sagte sie mit einem Mal.
Lanier sah sie entsetzt an.
»Ich bin momentan nur ein Gedanke. Gib mir einen Körper.«
»Sei nicht albern!«, sagte er sauer – doppelt sauer, weil er bei sich eine willige Reaktion spürte.
»Paul ist tot. Ich betrüge ihn also nicht. Wenn ich das Tor öffne, wird er wieder leben, aber jetzt im Moment ist er nirgendwo. Ich weiß, du warst mit Farley beisammen … und Hoffman.«
Sie hätte beinahe das Falsche gesagt, hätte beinahe an seine Verantwortung für sie appelliert, und er ahnte das. »Ich bin teils eifersüchtig, teils nicht«, sagte sie. »Ich mag Karen. Ich mag euch alle. Ich habe mich einsam gefühlt, anders, aber ich möchte … mit euch beisammen sein. Ich möchte, dass ihr mich mögt.«
»Ich will dich nicht ausnützen, bloß weil du deprimiert bist«, erklärte Lanier.
»Ausnützen? Aber ich brauche dich! Ich nütze dich aus. Ich benutze dich, ich weiß, aber … ich weiß halt, dass es mir helfen wird. Ich bin kein kleines
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