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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Gerüsts. »Ist der Ingenieur bereit?«
    »Ich bin da.«
    »Können Sie alles deutlich wahrnehmen, um davon Zeugnis abzulegen?«
    »Ja.«
    Der Toröffner holte tief Luft. »Heute ist ein besonders ehrenvoller Tag für uns alle«, sagte er zu Patricia.
    Das Klavikel summte, als er hinunter aufs Traktionsfeld trat. Er winkte Patricia, ihm zu folgen. Sie stellte sich neben ihn auf die Linien, und das Feld beulte sich, wo sie standen, nach unten aus und bildete eine Mulde. Immer tiefer senkten sie sich und hielten erst wenige Meter über dem Grubenboden an. Ry Oyu kniete nieder und deponierte das Klavikel in seiner Halterung. »Ich habe den Bereich auf wenige Zentimeter eingegrenzt«, sagte er.
    Dann hob er den Kopf und fing zu Patricias großem Erstaunen zu singen an.
    »Im Namen des Sterns, des Herds unseres Seins, der Schmiede unserer Substanz, dem größten aller Feuer: Stern, spende uns Licht, spende uns in der Finsternis die Gabe rechten Schaffens!«
    Er umfasste das Klavikel mit beiden Händen und hielt es fest, wobei er die Augen schloss und das Gesicht zur hohen Halle erhob.
    »Auf das Schicksal bauen wir, den Weg aller Dinge, allen Lichts im Plan der ewigen Bestimmung, der wir nicht entfliehn, auch wenn wir wählen, noch so frei wählen können.
    Im Namen von Pneuma, Odem unseres Geistes, Zug unsres Denkens, im Fleisch erzeugt oder in der Maschine, führe unsere Hand, beflügle uns!«
    Lanier sah, dass Korzenowskis Bild den Wortlaut von Ry Oyu still mitbetete, als stammte der Text, den der Türöffner sprach, aus der Feder des Ingenieurs.
    Das Summen des Klavikels stieg um eine Oktave. Erst jetzt merkte Patricia, dass sie die Hände wie zum Gebet gefaltet hatte. Sie brachte es nicht über sich, die Hände zu lösen und an den Seiten hinunterhängen zu lassen.
    »Und im Namen der Altvorderen, von denen einige unter uns weilen heute, seien sie nun aus Fleisch geboren oder wiederhergestellt durch die Segnungen unsrer Findigkeit. Und im Namen derer, die verbrannt sind, auf dass wir einen besseren Pfad finden, die den Tod erlitten haben, auf dass wir leben …«
    Sowohl Patricia als auch Lanier spürten, wie ihnen Tränen in die Augen traten und über die Wangen rollten.
    »… richte ich dieses Klavikel auf Welten ohne Zahl und bringe ein neues Licht in den Weg, indem ich das Tor öffne, auf dass es zum Nutzen gereiche allen, die führen und geführt werden, die schaffen und geschaffen werden, die dem Weg Licht spenden und sich in diesem Licht baden.«
    Er hob das Klavikel aus der Halterung und hielt es zwischen die Knie. Der Piktstrom, der vom Klavikel ausging, erhellte sein Gesicht wie ein Feuerschein. Das Summen hatte den hörbaren Bereich überschritten.
    »Seht!«
    »Ich öffne eine – neue Welt …«
    Die bronzene Oberfläche des Wegs unter ihnen schien sich in eine Kreuzschraffierung schwarz-grün-roter Linien zurückzubilden. Ry Oyu stand auf und hielt das Klavikel mit beiden Händen vor sich.
    An den Rand der Grube drängten sich ums Gerüst die Forscher, Yates, Prescient, Oyu, Lanier und Korzenowskis Bild und verfolgten, wie das Tor mit einem lautlosen Sturm seinen Anfang nahm.
    Das Traktionsfeld hob den Toröffner und Patricia um einige Meter an. Patricia wurde wieder schwindelig, als sie in die farbgeschwängerte, strudelnde Illusion unendlicher Möglichkeiten blickte.
    Die Illusion teilte sich, und in der Mitte bildete sich ein ölig schwarzer Kreis.
    Ry Oyu reichte Patricia das Klavikel. Sie hielt es an beiden Griffen fest.
    »Spüren Sie die Macht«, sagte er in Englisch, »damit Sie wissen, wie sich eine korrekte Toröffnung anfühlt.«
    Das Klavikel war lebendig in ihrer Hand, war ein Teil von ihr und beschoss sie mit einer Piktflut.
    Die Macht war faszinierend. Patricia hätte am liebsten gelacht, als das Klavikel das Loch in der Oberfläche des Wegs erweiterte. Über sie beide glitt nun die unvollständige Kuppel, die Ry Oyus Arbeitsbereich bedeckt hatte, und richtete sich auf das Zentrum der Turbulenzen aus.
    »Ein gefährlicher Moment«, erklärte Ry Oyu. »Wenn das Chaos außer Kontrolle gerät, legt sich die Kuppel darüber und glättet die Störung. Wenn das passiert, schleudert es uns aus dem Weg. Es verschlägt uns dahin, wohin das Tor sich öffnet, und wir können nicht mehr zurück. Spüren Si e’s ?«
    Sie spürte es. Die freudige Erregung wurde abgelöst von dem bangen Gefühl, etwas gar nicht Freundliches, unbeschreiblich Garstiges am Schwanz zu halten. Sie behielt das Klavikel im

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