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Aeon

Aeon

Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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noch üppiges Haar war lang und dunkel; ihr Gesicht wirkte trotz der vierundsiebzig Jahre noch jugendlich. Ihre Augen waren dunkel und länglich und durchdringend; sie erweckten einen gefährlich dreisten Eindruck.
    »Willkommen«, sagte die Königin in Missachtung des Protokolls. »Komm, setz dich zu mir! Wir haben viel zu bereden.«
    »O ja, meine liebliche Königin«, erwiderte die Soph e , löste sich aus den Armen ihrer Söhne und näherte sich dem Thron, wobei sie mit der Hand den Saum ihres langen Gewands hochraffte. Sie war recht rüstig; zweifellos behielt sie die Söhne nicht aus Eigennutz, sondern zu deren Vorteil im Tempel; in der Oikoumen e war es derzeit nicht unbedingt einfach, eine Anstellung zu finden.
    Patrikia setzte sich auf den weich gepolsterten Stuhl, der eine Körperlänge unterhalb des Throns stand, und erhob den Blick aufgeregt zur Königin.
    »Wie ich höre, hast du einige deiner wunderbaren Instrumente mitgebracht, um sie mir vorzuführen und deren Zweck darzulegen.«
    »Wenn ich darf …?«
    »Aber bitte.«
    Patrikia machte eine Geste, woraufhin zwei Schüler des Hypateion eine breite, flache Holztruhe herantrugen. Kleopatra kannte das Holz: Ahorn von Nea Karkhedon jenseits des Atlantiks. Sie fragte sich, wi e’s um deren Revolution bestellt sei; aus den blockierten Küstengebieten sickerten nur spärliche Nachrichten durch.
    Die Priesterin ließ die Truhe auf einem breiten runden Tisch aus gehämmertem Messing und getriebenem Silber abstellen. »Vielleicht kennt die königliche Hyps e lot e s meine Geschichte …«
    Kleopatra nickte lächelnd. »Dass du vom Himmel gefallen und von einem speienden Stern gejagt und nicht auf dieser Gaea geboren bist.«
    »Und dass ich was mitbrachte?«, fragte Patrikia vor aller Welt wie einer von Kleopatras Lehrern. Die Königin störte sich daran nicht; sie lernte gern. Den Großteil ihres Lebens hatte sie in Schulzimmern verbracht, wo sie die Eigenschaften ihres Reiches lernte und deren Sprachen obendrein.
    »Du hast wunderbare Instrumente mitgebracht, für die es auf unserer Welt keine Entsprechungen gibt. Ja doch, all das ist bekannt.«
    »Dann will ich dir nun sagen, was allein mir bekannt ist«, erklärte Patrikia. Sie blickte durch den Audienzsaal und richtete ihren ungewöhnlichen Blick wieder auf die Königin. »In Privataudienz. Ich empfange dich in meinen Gemächern.«
    Der Audienzsaal wurde rasch geräumt, und Kleopatra ließ unkompliziert ihre schweren Roben fallen und raffte ein leichtes Gewand um die Schultern. Einzig in Begleitung von zwei Kriegern und den beiden Söhnen der Soph e begaben sie sich zu den königlichen Gemächern. Platten mit Wachteln und kristallene Karaffen mit Wein aus Kos erwarteten sie, und die Soph e tafelte mit der Königin, was eine sehr seltene Auszeichnung war.
    Nachdem sie satt waren, aßen die Söhne, und Kleopatra und Patrikia ließen sich behaglich in einer Ecke auf weichen Polstern nieder. Damit sie ungestört wären, zogen Diener rundum Vorhänge zu.
    Erst jetzt öffnete Patrikia den Deckel der hölzernen Truhe. Dort lagen auf schwerem Purpur – der Filz stammte aus Pridden, die Farbe aus Ioudeia – ein handtellergroßer silbrig gläserner Gegenstand, ein zweiter, etwas kleinerer Gegenstand und ein sattelähnliches Gebilde mit zwei abstehenden Griffen.
    Diese Gegenstände waren beinahe so berühmt wie der Schatz des Feldherrn Ptolemaios S o t e r, besonders in Gelehrten- und Philosophenkreisen. Wenige hatten sie zu Gesicht bekommen, nicht einmal ihre Mutter und ihre Väter.
    Kleopatra betrachtete sie mit unverhohlener Neugier. »Erklär’s mir, bitte.«
    »Damit«, und Patrikia deutete auf das kleinere flache Ding, »kann ich die Eigenschaften von Raum und Zeit messen. Vor Jahren, als ich nach dem Tod meines Gemahls im Hypateion Zuflucht suchte, machte mir einer der Tekhnai dort neue Batterien, sodass die Geräte wieder gehen.«
    »Ich muss ihnen eine Belobigung aussprechen«, sagte Kleopatra. Patrikia lächelte und winkte ab, als wäre das nicht von Belang.
    »Die Philosophie und Tekhnos deiner Welt sind in mancher Hinsicht nicht so fortgeschritten wie in meiner Welt, obwohl der Abstand gering ist. Dafür habt ihr begnadete Mathematiker und Astronomen. Meine Arbeit ist gediehen.«
    »So?«
    »Und …« Patrikia hob das Ding mit den Griffen aus der Truhe. »Dieses Instrument sagt mir, wenn jemand versucht, einen Zugang zu unsrer Welt, dieser Gaea, zu schaffen. Es spürt ihr Vordringen und meldet es

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