Aeon
km/s um die Sonne bewegt, wäre natürlich kein sehr angenehmer Ort zum Leben. Denn während wir auf der Erde aufgrund ihrer gewaltigen Masse nichts von Drehung und Schnelligkeit mitbekommen, flöge uns in der geringen Schwerkraft Junos alles um die Ohren. Dies gilt jedoch nur für Junos Oberfläche . Im Inneren des Asteroiden hingegen würde uns – genau wie in Äon beschrieben – die Zentrifugalkraft der Drehung so stark an die äußeren Wände drücken, dass wir diese Beschleunigung als Gravitation fühlen würden, die etwas geringer als auf der Erde wäre. Nach dem gleichen Prinzip entwarf der russische Raumfahrtpionier Konstantin Ziolkowski bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Vision riesiger Raum stationen, die sich um die eigene Achse drehen, um künstliche Schwer kraft für ihre Besatzung zu erzeugen.
Die Arbeiter auf einer »Asteroidenbaustelle« wären mit weiteren Schwierigkeiten konfrontiert. Erstens würden ihre Bauten und Raumschiffe ständig Gefahr laufen, mit anderen Himmelskörpern zu kollidieren, denn im Asteroidengürtel wimmelt es von kleinen und größeren Objekten. Zudem wäre man speziell auf Juno – da er kein Magnetfeld besitzt – ungeschützt der kosmischen Strahlung ausgesetzt. Ganz zu schweigen von der fehlenden Atmosphäre und der geringen Menge Sonnenlicht. Darum erscheint es (in unserer Welt) eher wahrscheinlich, dass diese Arbeiten nicht von Menschen ausgeführt werden, sondern von Robotern : Die US-Firma Planetary Resources baut bereits an genau solchen Maschinen. Mit dem Abbau der am Asteroiden vorhandenen Ressourcen entstünde nach einiger Zeit – vielleicht zehn Jahren – aus dem ersten Bohrloch ein kleines System aus Tunneln und unterirdischen Habitaten, die eine nachkommende menschliche Besatzung vor der Strahlung des Weltraums schützen. Der Anfang einer Thistledown-Struktur wäre gemacht. Aber dann?
Da die ersten sechs Kammern des Äon -Asteroiden durchschnittlich 30 km lang (= hoch) sind und einen Durchmesser von 50 km haben, erhalten wir mit einer Volumenberechnung für Zylinder, (Pi × Radius 2 ) × Höhe , für jede von ihnen ein Raumvolumen von rund 59.000 km 3 . Wie lange würde es nach heutigen Maßstäben dauern, diese sechs Kammern zu errichten? Nehmen wir den im Bau befindlichen Gotthard-Basistunnel in der Schweiz: Er wird inklusive Quer- und Verbindungstunneln 153,5 km Tunnelstrecke aufweisen. Sein Innendurchmesser beträgt im Vergleich zu den Thistledown-Kammern nur mickrige 8 m. Vereinfacht kommen wir also auf ein Zylindervolumen von rund 0,0077 km 3 . Für die Tunnelarbeiten wurde eine Bauzeit von 23 Jahren veranschlagt. Würde die Aushöhlung des Asteroiden entsprechend effizient betrieben werden und mit vergleichbaren Verbindungswegen inklusive Schienen ausgestattet sein, käme man für jede Kammer auf eine Bauzeit von 176 Millionen Jah ren , für alle sieben somit auf mehr als 1 Milliarde Jahre (!). Zwar kommt e rleichternd hinzu, dass nach neuesten Dichtemessungen die meisten größeren Asteroiden gar nicht kompakt sondern von Hohlräumen unbekannter Größe durchzogen sind. Um jedoch – wie in Äon beschrieben – 40% des Asteroiden auszuhöhlen und mit Gängen, Lagerräumen und Aufzugschächten auszustatten, wird unsere heutige Technologie in keinem Fall reichen. Wir wissen nicht, wie lange die Erbauer des »Steins« für ihre Arbeit benötigten, aber sie schafften es offenbar innerhalb eines Jahrtausends – das bedeutet, dass sie mit jeder weiteren Kammer gewaltige technische Fortschritte machen mussten. Vielleicht verdampften sie das Gestein, vielleicht setzten sie Billionen von Nano-Robotern ein, doch das bleibt reine Spekulation, denn in Bears Text wird es nicht genauer beschrieben.
Die Umformung
»Terraforming« bezeichnet die Umformung eines Himmelskörpers in eine erdähnliche, für Menschen dauerhaft bewohnbare Landschaft. Die meisten derartigen in der Science Fiction beschriebenen Projekte haben erdähnliche Planeten oder größere Monde zum Ziel. Bears Vision ist im Vergleich dazu viel realistischer: Während die Umformung einer Planetenoberfläche enormen – wenn nicht unmöglichen – Aufwand an Energie, Transport, Rohstoffen und Zeit bedeutet, könnte ein System unterirdischer Kammern bereits mit heutigen Mitteln »terraformed« werden. Die Asteroidenkammern bilden ein geschlos senes und daher leichter beeinflussbares System. So könnte mit dem aus Wassereis gewonnenen Sauerstoff eine Grundatmosphäre erzeugt werden, die – im
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