Aeon
überholtes System abgelöst zu werden.
Als der Tod zuschlug, geschah dies gründlich und rundum. Jede Waffe wurde zielgemäß ihrer Bestimmung zugeführt. Bedenken in Bezug auf die Folgen schien es nicht zu geben.
Seite 35 Im Nachhinein erscheint es nur logisch, dass eine Waffe, wenn erst einmal gebaut, auch eingesetzt wird. Aber wir dürfen nicht vergessen, was für eine Verblendung im ausgehenden zwanzigsten und beginnenden einundzwanzigsten Jahrhundert herrschte, als die schlimmsten Waffen als Schutzwall betrachtet und das Grauen eines Armageddon als Abschreckung gesehen wurde, das keine normale Gesellschaft riskieren würde. Aber die Nationen waren nicht normal – rational, vernünftig, intelligent durchaus, aber nicht normal. In jeder Nation wurden die Arsenale gestützt von Misstrauen und sogar Hass …
Seite 3 Der Kleine Tod forderte vier Millionen Tote, hauptsächlich in Westeuropa und England. Der Tod kostete schätzungsweise 2 ½ Milliarden Menschenleben, wobei die genaue Zahl immer ungewiss bleiben wird, muss man doch davon ausgehen, dass bis zum »Abschluss« der Zählungen ebenso viele Leichen schon verrottet waren. Des Weiteren waren natürlich viele mehr komplett verdampft.
Patricia wischte sich die Augen. »Schrecklich«, flüsterte sie.
»Du kannst Pause machen, wenn du willst«, schlug Lanier besorgt vor.
»Nein … Noch nicht.« Sie blätterte weiter, vor und zurück …
Seite 345 Im Großen und Ganzen waren die Seegefechte eine tückische technische Spielerei. Während des Kleinen Tods wurden bis zur Kapitulation und auch noch danach U-Boote gejagt (und zuweilen versenkt), während die großen Flottenverbände sich nur kleine Scharmützel lieferten. Als nach den ersten Konflikten der Große Krieg ausbrach, stürzten sich binnen zweier Stunden die östlichen und westlichen Seestreitkräfte ins Gefecht. Im Persischen Golf, nord westlichen Pazifik, Nordatlantik und Mittelmeer (Libyen hatte den Sowjets 1997 einen Mittelmeerstützpunkt eingeräumt) wurde kurzer Prozess gemacht. Es gab nur wenige Sieger. Während des Todes dauerten Seegefechte durchschnittlich eine halbe Stunde, oft auch keine fünf Minuten. Am ersten Tag – noch bevor der Krieg eskalierte und solange die strategischen Absichten beobachtet wurden – vernichteten sich die östliche und westliche Marine gegenseitig. Es war die letzte große Marine, die seither auf den Meeren der Erde geduldet wurde, und noch heute, 130 Jahre danach, verseuchen ihre radioaktiven Trümmer die Ozeane.
Seite 400 Ein eigenartiges Phänomen der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Zunahme der »Aussteiger«. Diese Leute zogen sich – oft in Gruppen bis zu fünfzig – in entlegene Gebiete zurück, da sie eine große Katastrophe erwarteten, die zur Vernichtung der Zivilisation und zur Anarchie führen würde. Mit ihren Nahrungsvorräten und Waffenlagern und ihrer strikten Überlebensstrategie – der Bereitschaft, sich sowohl moralisch als auch physisch zu isolieren – verkörperten sie die schlimmsten Aspekte dessen, was Orson Hamill »konservative Krankheit des zwanzigsten Jahrhunderts« nannte. Es würde diesen Rahmen sprengen, die Ursachen dieser Krankheit zu analysieren, wo Stärke und Überleben des Einzelnen mehr zählten als moralische Überlegungen und wo die Fähigkeit zu zerstören höher gewichtet war als Geistesgröße, aber die Folgen – Ironie des Schicksals – sind vielfältig.
Die »Aussteiger« hatten recht und unrecht zugleich. Es kam tatsächlich zur Katastrophe, und ein Großteil der Welt wurde vernichtet, aber selbst im Langen Winter, der anbrach, verfiel die Zivilisation nicht in totale Anarchie. Viel mehr bildeten sich innerhalb eines Jahres Gruppen mit hoher sozialer Prägung aus. Das Leben eines jeden Einzelnen wurde ungemein wertvoll – und so wurden aus allen Überlebenden Gefährten. Nächstenliebe und Nachbarschaftshilfe wurden wesentlich, denn keine Gruppe hatte die Mittel noch die Kraft, auf eigene Faust zu überdauern. Die Enklaven der Aussteiger, die bis zu den Zähnen bewaffnet waren und keinerlei Skrupel hatten, wie sie sich zur Wehr setzten oder wen sie töteten, wurden bald Gegenstand des Hasses und der Furcht, da sie inmitten der neuen Brüderlichkeit Eigenbrötler blieben.
Fünf Jahre nach dem Ende des Todes waren die meisten Aussteigerenklaven aufgespürt und die tollen Bewohner um gebracht oder gefangengenommen. (Leider fielen diesem Sturm auch viele isolierte »Überlebenskommunen«
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