Aeon
Sowjets um den bevorstehenden Krieg sie zur Umkehr bewegen und den Krieg verhindern …
Vielleicht würde die Anwesenheit des Steins und der klare technologische Vorsprung, den er dem Westen einräumte, die Sowjets erst recht anstacheln …
Vielleicht würde der Stein die von ihm ausgehende Wirkung schlicht wiederaufheben und somit ohne Folgen für die unmittelbare Zukunft der Erde bleiben …
Carrolson und Lanier betraten das Lager. Patricia konnte sehen, wie sie Mitarbeiter begrüßten, die aus anderen Kammern im Lager eintrafen.
Das schorfige, wunde Gefühl in ihr war verklungen. Sie war weder zornig noch traurig. Sie fühlte sich überhaupt nicht richtig lebendig. Das Einzige, woran sie noch Freude hatte, war der Zustand, das Wegtauchen in die Arbeit und Schwelgen in der Größe und Erhabenheit des Korridors.
Trotz alledem müsste sie ihre Aufwartung machen. Das verlangte sie von sich. Sie hatte immer der Versuchung widerstanden, das weltfremde Genie zu spielen und den Umgang mit anderen zu meiden. Dabei war der Drang dazu durchaus vorhanden: Sie war gern allein, verkroch sich gern in eine Ecke zum Arbeiten. Der Gedanke, unter dem ewigen Röhrenlicht das Tanzbein zu schwingen (der Tanz wurde im Freien abgehalten) und Belanglosigkeiten auszutauschen – oder gar für einige Stunden aufs Karussell der Partnersuche zu steigen –, erschreckte sie. Sie war sich nicht sicher, ob sie Haltung bewahren könnte oder vor Zorn und Ohnmacht in Tränen ausbrechen würde.
Sie ging die Treppe hinunter und verließ, die Hände in den Taschen, das Gebäude, wobei sie bewusst den Kopf höher trug, als sie sich unter die Massen mischte.
Zwei Soldaten, zwei Biologen und zwei Techniker hatten aus ausgemustertem Elektronikmaterial Synthesizer und elektrische Gitarren gebastelt. Seit Wochen ging das Gerücht, die Band sei annehmbar – vielleicht sogar gut. Obwohl heute ihr erster Auftritt vor Publikum war, stimmten sie cool ihre Instrumente und stellten mit geübter Hand die Anlage ein.
Von den Archäologen, die in Alexandria zugange waren, hatte man sich seltsame Boxen geschnorrt, die als Zeichen des guten Willens und Einvernehmens und als Versöhnungsgabe für die pingelige Schutzpolitik geopfert wurden. Die Boxen standen an den Ecken der rechteckigen Tanzfläche, eines für Anbauten ausgesparten Areals. Es waren keine Drähte, keine Kabel an den Boxen; die Musik wurde mit eigener Frequenz per Funk übertragen. Die Töne, die aus den Boxen kamen, klirrten etwas, waren ansonsten aber akzeptabel. Heineman betrachtete eins der Dinger und meinte: »Ich bin nicht sicher, was das ist. Aber ’n Lautsprecher ist’s nicht.«
»Funktioniert doch, oder?«, erwiderte Carrolson, die ihrem erhofften Tanzpartner nicht von der Seite wich.
Heineman gab ihr insoweit recht, als es das Funksignal in Geräusch umwandelte, wollte sich aber nicht weiter darüber auslassen. Diese Frage wurde also nie zur Genüge geklärt.
Unter dem immerwährenden Röhrenlicht legten Mitglieder des Sicherheitsteams mit Wissenschaftlern und Technikern ein Tänzchen aufs Parkett. Die sowjetische Gruppe, die sich zierte, stand geschlossen in einer Ecke. Hua Ling, Wu, Chang und Farley legten sich mächtig ins Zeug, obwohl auch sie von der Schließung erfahren hatten.
Die Band spielte für einige Runden älteren Hardrock, der nicht zur allgemeinen Stimmung passte, sodass sie notgedrungen wieder auf moderne Musik zurückgriffen.
Patricia tanzte einmal mit Lanier, und zwar einen Japanischen Walzer, wie sie gerade aktuell waren. Als sie sich gegen Ende in den Armen wiegten, nickte Lanier geheimnisvoll und lächelte. Sie wurde beinahe rot. Als der Tanz zu Ende war, hielt er sie noch fest und sagte: »Nicht deine Schuld, Patricia. Du warst ganz toll. Ein richtiges Teammitglied.«
Sie trennten sich, und Patricia ging verwirrt zur Seite. Das Gefühl der Leere war verschwunden. Hatte sie wirklich Lob von Lanier erwartet? Offenbar; seine Worte schmeichelten ihr.
Nun bat Wu um einen Tanz, der sich als guter Tänzer entpuppte. Anschließend nahm Patricia wieder Platz und blieb bis zum Ende des Festes sitzen. In einer Tanzpause kam Lanier zu ihr; er hatte eher hektisch mit einer ganzen Reihe von Partnerinnen getanzt – darunter Farley und Chang.
»Gefällt’s dir?«, fragte er.
Sie nickte. Dann sagte sie: »Nein, eigentlich nicht.«
»Mir auch nicht, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Du bist aber ein guter Tänzer«, meinte Patricia.
Lanier zuckte mit den Achseln.
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