Aerger im Bellona-Club
Speisekarte.
»Was soll es denn sein?« fragte er. »Hummer und Champagner?«
Sie lachte ihn aus.
»Marjorie behauptet, Sie seien in puncto Essen eine Autorität. Ich glaube nicht, daß eine Autorität jemals Hummer mit Champagner nehmen würde. Außerdem mag ich Hummer sowieso nicht besonders. Es gibt hier doch sicher eine Spezialität, nicht? Nehmen wir das.«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte Wimsey. »Ich werde ein Menü für Sie zusammenstellen.«
Er rief den Oberkellner zu sich und ging diese Frage wissenschaftlich an.
» Huîtres Musgrave – ich bin zwar aus Prinzip dagegen, Austern zu kochen, aber dieses Gericht ist so ausgezeichnet, daß man ihm zuliebe ruhig einmal von der Regel abweichen darf. In den Schalen gebraten, Miss Dorland, mit kleinen Speckstreifen. Sollen wir das versuchen? Als Suppe natürlich tortue vraie. Der Fisch – ach, nur ein filet de sole, ein bloßes Häppchen, ein Gedankenstrich zwischen Prolog und Hauptthema.«
»Das klingt alles köstlich. Und was soll das Hauptthema sein?«
»Ich denke faison rôti mit pommes Byron. Und einen Salat zur Förderung der Verdauung. Ach ja, Ober, und sorgen Sie dafür, daß der Salat trocken und frisch ist. Zum Abschluß dann ein soufflé glacé. Und bringen Sie mir die Weinkarte.«
Sie unterhielten sich. Wenn Ann Dorland nicht in der Defensive war, hatte sie eine ganz angenehme Art; vielleicht ein bißchen zu direkt und aggressiv in ihren Ansichten, aber das war nur eine Frage der Reife.
»Was halten Sie von dem Romanée Conti? « fragte er plötzlich.
»Ich verstehe nicht viel von Wein. Er ist gut. Nicht süß wie ein Sauterne. Er ist ein bißchen – nun – herb. Aber er ist herb, ohne zugleich dünn zu sein – ganz anders als dieser schreckliche Chianti, den die Leute in Chelsea immer auf Parties trinken.«
»Sie haben recht; er ist noch ein wenig unfertig, hat aber schon eine schöne Blume – in zehn Jahren wird es ein großer Wein sein. Es ist ein 1915er. Nun, mal sehen. Ober, nehmen Sie diese Flasche wieder mit und bringen Sie mir eine Flasche von dem 1908er.«
Er beugte sich zu seiner Begleiterin vor.
»Miss Dorland – darf ich unverschämt sein?«
»Wie denn? Warum?«
»Kein Künstler, kein Bohemien, auch kein Akademiker: ein Mann von Welt.«
»Was wollen Sie mit diesen geheimnisvollen Worten sagen?«
»Für Sie. So sieht der Mann aus, der Sie einmal sehr gern haben wird. Sehen Sie – dieser Wein, den ich habe zurückgehen lassen, taugt nicht für diese Hummer-mit-Champagner-Liebhaber, auch nicht für sehr junge Leute – er ist zu groß und zu herb. Aber er hat alles in sich, worauf es ankommt. Wie Sie. Nur ein recht erfahrener Gaumen weiß ihn zu schätzen. Aber eines Tages werden dieser Wein und Sie zu Ehren kommen. Verstehen Sie?«
»Glauben Sie das?«
»Ja. Aber Ihr Mann wird ganz anders sein, als Sie ihn sich jetzt vorstellen. Sie haben sich immer einen vorgestellt, zu dem Sie aufblicken können, nicht?«
»Nun «
»Aber Sie werden feststellen, daß Sie die Dominierende von beiden sind. Er wird darauf sehr stolz sein. Und Sie werden den Mann zuverlässig und nett finden, und es wird sich alles zum Guten entwickeln.«
»Ich wußte gar nicht, daß Sie Prophet sind.«
»Bin ich aber.«
Wimsey nahm dem Kellner die Flasche 1908er ab und sah über Miss Dorlands Kopf hinweg zur Tür. Ein Mann im Abendanzug kam herein, begleitet vom Geschäftsführer.
»Ich bin ein Prophet«, sagte Wimsey. »Hören Sie, es wird gleich etwas Unangenehmes passieren – jetzt gleich. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Trinken Sie Ihren Wein und haben Sie Vertrauen.«
Der Geschäftsführer hatte den Mann an ihren Tisch geführt. Es war Parker.
»Aha«, sagte Wimsey vergnügt. »Nimm es uns nicht übel, daß wir schon ohne dich angefangen haben, alter Freund. Setz dich. Ich glaube, du kennst Miss Dorland schon.«
Parker machte eine Verbeugung und setzte sich.
»Sind Sie gekommen, um mich zu verhaften?« fragte Ann.
»Nur um Sie zu bitten, mit mir zum Yard zu kommen«, sagte Parker, indem er mit einem liebenswürdigen Lächeln seine Serviette entfaltete.
Ann sah mit bleichem Gesicht zu Wimsey und trank einen großen Schluck Wein.
»Gut«, sagte Wimsey. »Miss Dorland hat dir eine ganze Menge zu erzählen. Nach dem Essen paßt es uns ausgezeichnet. Was möchtest du haben?«
Parker, der über nicht viel Phantasie verfügte, bestellte ein Grillsteak.
»Werden wir beim Yard noch andere Bekannte treffen?« fragte Wimsey
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