Aerger im Bellona-Club
werden kann. Es gab nur eine Gelegenheit, zu der er die Pille hätte verabreichen können – würde sie dann die eingetretene Wirkung zu ebendiesem Zeitpunkt hervorgerufen haben oder nicht? Wenn die Wirkung nicht um acht Uhr eintreten konnte, dann konnte sie eben nicht und basta.«
Er hielt den Blick fest auf Penberthy gerichtet und sah, wie dieser sich mit der Zunge über die trockenen Lippen fuhr, bevor er sprach.
»Das kann ich so ohne weiteres nicht beantworten«, sagte er.
»Die Pille könnte zu irgendeiner anderen Zeit unter General Fentimans normale Pillen geschmuggelt worden sein«, mutmaßte Parker.
»Ja, das wäre möglich«, stimmte Penberthy zu.
»Hatte sie die gleiche Form und das gleiche Aussehen wie seine normalen Pillen?« fragte Wimsey, wieder den Blick fest auf Penberthy gerichtet.
»Da ich die fragliche Pille nicht gesehen habe, kann ich das nicht sagen«, antwortete dieser.
»Jedenfalls«, sagte Wimsey, »enthielt die Pille, die aus Mrs. Fentimans Vorrat stammte, soviel ich weiß, außer Digitalin auch noch Strychnin. Bei der Analyse des Mageninhalts wäre das Strychnin sicher gefunden worden, wenn es dagewesen wäre. Das läßt sich ja feststellen.«
»Natürlich«, sagte der Polizeiarzt. »Nun, meine Herren, ich glaube nicht, daß wir hier heute nacht noch viel tun können. Ich habe mit Dr. Penberthys voller Zustimmung ein Rezept für den Patienten ausgestellt.« Er verbeugte sich; Penberthy verbeugte sich. »Ich lasse das Medikament herrichten, und Sie werden zweifellos dafür sorgen, daß er es bekommt. Morgen früh komme ich hierher.«
Er sah fragend zu Parker, der nickte.
»Danke, Doktor, wir werden Sie morgen früh um eine weitere Stellungnahme bitten. Sie stellen sicher«, sagte er zum Polizeichef, »daß für Mrs. Fentiman in angemessener Weise gesorgt wird. Wenn Sie hierbleiben und sich um Ihren Bruder und Mrs. Fentiman kümmern wollen, Major, können Sie das natürlich, und der Polizeichef wird Sie unterbringen, so gut das möglich ist.«
Wimsey nahm Penberthy beim Arm.
»Kommen Sie für ein paar Augenblicke mit mir in den Club, Penberthy«, sagte er. »Ich habe ein Wort mit Ihnen zu reden.«
22
Die Karten auf den Tisch
In der Bibliothek des Bellona-Clubs war niemand; es war nie jemand dort. Wimsey führte Penberthy in die hinterste Nische und schickte einen Kellner nach zwei doppelten Whisky. »Zum Wohl!« sagte er.
»Zum Wohl«, antwortete Penberthy. »Was gibt's?«
»Hören Sie«, sagte Wimsey. »Sie waren Soldat. Ich halte Sie für einen anständigen Kerl. Sie haben George Fentiman gesehen. Es ist ein Jammer, nicht?«
»Was ist damit?«
»Wenn George Fentiman nicht mit dieser Wahnvorstellung aufgekreuzt wäre«, sagte Wimsey, »wären Sie heute abend für den Mord verhaftet worden. Nun ist die Sache die: Wenn Sie verhaftet werden, ist es nach Lage der Dinge nicht zu verhindern, daß Miss Dorland aus dem gleichen Grund verhaftet wird. Sie ist ein sehr anständiges Mädchen, und Sie haben sich ihr gegenüber nicht sehr nett verhalten, oder? Finden Sie nicht, Sie sollten das wieder an ihr gutmachen, indem Sie klipp und klar die Wahrheit sagen?«
Penberthy saß mit bleichem Gesicht da und sagte nichts.
»Sehen Sie«, fuhr Wimsey fort, »wenn sie erst einmal auf der Anklagebank sitzt, wird sie immer unter Verdacht stehen. Selbst wenn die Geschworenen ihr glauben – und darauf ist kein Verlaß, denn Geschworene sind oft ziemlich dumm , werden die Leute immer glauben, daß doch >etwas dran< war. Sie werden sagen, daß sie mit Glück davongekommen ist. Das wäre schrecklich für eine Frau, nicht wahr? Und sie könnte sogar schuldig gesprochen werden. Sie und ich wissen, daß sie es nicht ist – aber – Sie wollen das Mädchen doch nicht hängen sehen, Penberthy, oder?«
Penberthy trommelte auf dem Tisch.
»Was wollen Sie von mir?« fragte er endlich.
»Schreiben Sie ein Geständnis, in dem Sie klar schildern, wie es sich wirklich zugetragen hat«, sagte Wimsey. »Machen Sie reinen Tisch für die andern. Stellen Sie klar, daß Miss Dorland nichts damit zu tun hatte.«
»Und dann?«
»Dann tun Sie, was Sie wollen. Ich an Ihrer Stelle wüßte, was ich täte.«
Penberthy stützte das Kinn auf die Hände und saß reglos da, den Blick auf die in Leder gebundenen, goldgeprägten Dickens-Bände geheftet. »Gut«, sagte er. »Sie haben recht. Ich hätte das schon früher tun sollen. Aber – zum Teufel auch! – wenn je ein Mensch Pech hatte ... Wenn Robert Fentiman
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