Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
daß er den Alten so lange am Leben gehalten hat bei den schwachen Lungen. Ach Gott, da ist ja auch Ihr Großvater, Fentiman. Noch so eines von Penberthys Wundern. Er muß mindestens neunzig sein. Entschuldigen Sie mich einen kleinen Augenblick? Ich muß ihm kurz guten Tag sagen.«
    Wimseys Blick folgte der drahtigen Gestalt des älteren Herrn, wie er den großen Rauchsalon durchquerte und da und dort kurz stehenblieb, um mit anderen Mitgliedern des Bellona-Clubs ein Wort zu wechseln. Dicht an den Kamin gerückt stand ein alter Ohrensessel aus viktorianischer Zeit. Zwei auf einen Schemel gestützte, ordentlich geschnürte Schuhe und spindeldürre Waden waren das einzige, was man von General Fentiman sah.
    »Komisch«, flüsterte sein Enkel, »wenn man sich vorstellt, daß für das alte Moosgesicht der Krimkrieg immer noch der Krieg ist und er im Burenkrieg schon zu alt war, um ins Feld zu ziehen. Er ist ja schon mit siebzehn in die Armee eingetreten, bei Majuba verwundet –«
    Er unterbrach sich. Wimsey hörte ihm nicht zu. Er sah immer noch Oberst Marchbanks nach.
    Der Oberst kam zu ihnen zurück. Sein Schritt war ruhig und sicher. Wimsey stand auf und ging ihm entgegen.
    »Peter«, sagte der Oberst, das freundliche Gesicht in sorgenvolle Falten gelegt, »kommen Sie doch rasch mal mit. Ich glaube, es ist etwas Unangenehmes passiert.«
    Fentiman sah zu ihnen hin, und etwas in ihrem Benehmen ließ ihn aufstehen und ihnen zum Kamin folgen.
    Wimsey beugte sich über General Fentiman und nahm behutsam die Morning Post aus den knorrigen alten Händen, die zusammengefaltet über der schmalen Brust lagen. Er legte die Hand auf die Schulter – schob sie unter den weißen Kopf, der gegen die Seite des Sessels lehnte. Der Oberst sah ihm besorgt zu. Dann hob Wimsey mit einem schnellen Ruck die reglose Gestalt an. Sie kam an einem Stück hoch, steif wie eine Holzpuppe.
    Fentiman lachte. Ein hysterischer Lachanfall nach dem andern schüttelte seine Kehle. Überall im Rauchsalon erhoben sich erschütterte Bellonier mit gichtknarrenden Gelenken, schockiert ob des ungehörigen Lärms.
    »Bringt ihn raus!« rief Fentiman. »Bringt ihn raus, er ist schon zwei Tage tot! Und Sie auch! Und ich! Wir sind alle tot und haben es nur noch nicht gemerkt!«

2

Die Dame ist gefallen

    Es ist schwer zu sagen, was den älteren Mitgliedern des Bellona-Clubs peinlicher war – der aberwitzige Tod General Fentimans in ihrer Mitte oder die ungehörige Nervenschwäche seines Enkels. Nur die jüngeren nahmen keinen Anstoß: sie wußten zuviel. Dick Challoner – seinen engsten Freunden als Eisenbauch-Challoner bekannt, weil ihm nach der zweiten Schlacht an der Somme ein Ersatzteil eingepflanzt worden war – brachte den keuchenden George Fentiman in die menschenleere Bibliothek und flößte ihm eine Stärkung ein. Der Clubmanager kam in Frackhemd und Hosen herbeigeeilt, den halb eingetrockneten Rasierschaum noch an den Wangen. Nach einem kurzen Blick schickte er einen aufgeregten Kellner nachsehen, ob Dr. Penberthy noch im Club war. Oberst Marchbanks legte pietätvoll ein großes seidenes Taschentuch auf das starre Gesicht im Lehnsessel und blieb still daneben stehen. Ein kleiner Kreis bildete sich um den Kaminvorleger, und man wußte nicht recht, wie man sich verhalten sollte. Hin und wieder erweiterte sich der Kreis der Neuankömmlinge, denen die Neuigkeit schon beim Betreten der Eingangshalle entgegengekommen war. Aus der Bar kam eine kleine Gruppe hinzu. »Was, der alte Fentiman?« fragten sie. »Mein Gott, was Sie nicht sagen! Der arme Kerl. Da hat wohl doch zuletzt das Herz nicht mehr mitgemacht.« Und sie drückten ihre Zigarren und Zigaretten aus und stellten sich dazu, denn fortgehen mochte keiner so recht.
    Dr. Penberthy hatte sich gerade zum Abendessen umgezogen. Er kam in aller Eile herunter, nachdem man ihn im letzten Moment abgefangen hatte, ehe er zu einem Gedenktagsessen ausging; er hatte den Zylinder in den Nacken geschoben und Mantel und Schal nur lose umgehängt. Er war ein schmaler, dunkler Mann mit der kurz angebundenen Art, die den Militärarzt vom Inhaber einer Westend-Praxis unterscheidet. Die Gruppe um den Kamin machte ihm Platz, bis auf Wimsey, der etwas albern über den großen Ohrensessel gebeugt stand und hilflos die Leiche ansah.
    Penberthys erfahrene Hände glitten schnell über Hals, Handgelenke und Knie des Toten.
    »Schon seit mehreren Stunden tot«, meldete er schneidig. » Rigor mortis weit fortgeschritten –

Weitere Kostenlose Bücher