Aerger im Bellona-Club
wirken?«
»Ich würde mit einer recht baldigen Wirkung rechnen. Normalerweise besteht sie aus Übelkeit und Schwindelgefühl. Aber bei so einem starken Herzstimulans wie Digitalin ist die Hauptgefahr, daß jede plötzliche Bewegung, zum Beispiel unvermitteltes Aufspringen aus einer Ruhelage, einen plötzlichen Kollaps und Tod hervorrufen könnte. Ich nehme an, daß dies bei General Fentiman der Fall war.«
»Und das könnte zu jeder Zeit nach Einnahme der Dosis passiert sein?«
»Ja.«
»Nun, dann bin ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Dr. Penberthy. Ich werde noch rasch Ihren Apotheker aufsuchen und mir die Eintragungen in Ihren Büchern abschreiben, wenn ich darf.«
Nachdem dies geschehen war, begab Parker sich zum Portman Square, immer noch ein wenig wirr im Kopf, was die Wirkungen des gemeinen Fingerhuts bei innerer Anwendung betrifft – eine Verwirrung, die in keiner Weise dadurch behoben wurde, daß er anschließend in den Materia Medica, in den Pharmacopoeia, bei Dixon Mann, Taylor, Glaister und anderen Autoren nachschlug, die ihre Erkenntnisse aus der Toxikologie so freundlich und hilfsbereit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.
16
Quadrille
»Mrs. Rushworth, das ist Lord Peter Wimsey. Naomi, das ist Lord Peter. Er interessiert sich ungemein für Drüsen und dergleichen, darum habe ich ihn mitgebracht. Und du, Naomi, mußt mir das Neueste von dir erzählen. Wer ist es? Kenne ich ihn?«Mrs. Rushworth war eine lange, ungepflegte Frau mit langem, ungepflegtem Haar, das sie über den Ohren zu Schnecken zusammengeflochten hatte. Sie strahlte Peter kurzsichtig an.
»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Drüsen sind doch etwas Wunderbares, nicht? Dr. Voronoff, Sie wissen ja, und diese wunderbaren alten Schafe. So eine Hoffnung für uns alle. Allerdings ist der liebe Walter an Verjüngungen ja nicht so interessiert. Vielleicht ist das Leben auch so schon lang und schwer genug, nicht wahr? – so voll von Problemen der einen oder anderen Art. Und die Versicherungsgesellschaften sind ja ganz strikt dagegen, soviel ich weiß, zumindest. Ganz natürlich, wenn man es sich überlegt. Aber der Einfluß auf den Charakter ist ja so interessant. Haben Sie zufällig etwas mit jugendlichen Kriminellen zu tun?«
Wimsey sagte, jugendliche Kriminelle stellten ein sehr verwickeltes Problem dar.
»Wie wahr! So verwickelt. Und wenn man bedenkt, wie wir ihnen Tausende von Jahren Unrecht getan haben. Ausgepeitscht und auf Brot und Wasser gesetzt und zur Heiligen Kommunion geschickt, und dabei wäre nur ein bißchen Kaninchendrüse oder so etwas nötig gewesen, um die bravsten Kinder aus ihnen zu machen. Richtig schrecklich, nicht? Und alle diese armen Krüppel auf Jahrmärkten – Zwerge und Riesen und das alles , nur ein bißchen Hypophyse oder Epiphyse, und alles wäre in Ordnung gewesen. Allerdings muß ich sagen, daß sie so, wie sie sind, viel mehr Geld verdienen, und das wirft ein sehr unerfreuliches Licht auf die Arbeitslosigkeit, nicht wahr?«
Wimsey sagte, daß jeder Vorteil eben auch seinen Nachteil habe.
»O ja, so ist es«, pflichtete Mrs. Rushworth ihm bei. »Aber ich finde es unendlich viel ermutigender, es andersherum zu sehen. Jeder Nachteil hat auch seinen Vorteil, nicht wahr? Es ist so wichtig, daß man die Dinge in ihrem richtigen Licht sieht. Es wird für Naomi so eine große Freude sein, wenn sie den lieben Walter bei seinem großen Werk unterstützen kann. Ich hoffe, Sie wollen auch unbedingt einen Beitrag zur Errichtung der neuen Klinik leisten.«
Wimsey fragte, was für eine neue Klinik das sei.
»Ach, hat Marjorie Ihnen davon noch nichts gesagt? Die neue Klinik, in der mit Drüsen alle Menschen gut gemacht werden. Darüber will doch der liebe Walter heute abend sprechen. Er ist so davon begeistert, und Naomi ebenfalls. War das eine Freude für mich, als Naomi mir sagte, daß sie sich wirklich verlobt haben. Natürlich habe ich alte Mutter ja schon so etwas vermutet«, fügte Mrs. Rushworth kokett hinzu. »Aber die jungen Leute sind ja heute so komisch und behalten immer alles für sich.«
Wimsey sagte, er glaube, daß man beiden Seiten nur herzlich gratulieren könne. Und was er von Naomi Rushworth gesehen hatte, überzeugte ihn, daß sie zumindest den Glückwunsch verdiente, denn sie war ein einzigartig häßliches junges Mädchen mit einem Gesicht wie ein Wiesel.
»Sie entschuldigen mich gewiß, wenn ich mich jetzt auch den anderen Leuten widme, ja?« fuhr Mrs. Rushworth fort.
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