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Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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allein und verlassen da.« Und er warf eine dünne schwarze Haarlocke aus der Stirn zurück und weinte.

    *
    Parkers erster und nächstliegender Schritt war eine Unterredung mit Dr. Penberthy, den er nach der Sprechstunde in der Harley Street aufsuchte.
    »Ich will Sie jetzt nicht wegen dieses Totenscheins behelligen«, begann er freundlich. »Wir alle machen nun einmal Fehler, und soviel ich weiß, sieht ein Tod durch eine Überdosis Digitalin einem Tod durch Herzversagen sehr ähnlich.«
    »Es ist ein Tod durch Herzversagen«, berichtigte der Arzt ihn geduldig. Ärzte sind es im allgemeinen müde, immer wieder erklären zu müssen, daß Herzversagen keine spezifische Krankheit ist wie Mumps oder Knieschleimbeutelentzündung. Diese Unvereinbarkeit der Betrachtungsweisen zwischen Laien und Medizinern ist es, die Juristen und medizinische Sachverständige zuweilen vor Gericht in einem Nebel von Mißverständnissen und gegenseitiger Verärgerung umherirren läßt.
    »Ganz recht«, sagte Parker. »Nun war General Fentiman ja schon herzkrank, nicht wahr? Ist Digitalin ein Medikament gegen Herzkrankheiten?«
    »Ja – bei bestimmten Herzkrankheiten kann Digitalin ein sehr wertvolles Stimulans sein.«
    »Stimulans? Ich dachte, es sei ein Beruhigungsmittel.«
    »Zuerst wirkt es stimulierend; später dämpft es dann die Herztätigkeit.«
    »Ah, ich verstehe.« Parker verstand nicht viel, denn wie die meisten Menschen lebte er in der vagen Vorstellung, daß jedem Medikament nun einmal eine bestimmte Wirkung zukomme und es folglich stets ein spezifisches Heilmittel für dies oder jenes sei. »Es beschleunigt also zuerst den Herzschlag und verlangsamt ihn dann.«
    »Nicht ganz. Es stärkt die Herztätigkeit, indem es den Herzschlag verlangsamt, so daß die Hohlräume vollständiger geleert werden können und der Druck vermindert wird. Wir verabreichen es bei bestimmten Gefäßerkrankungen – selbstverständlich unter gebührenden Vorsichtsmaßnahmen.«
    »Haben Sie General Fentiman Digitalin gegeben?«
    »Ich habe es ihm von Zeit zu Zeit gegeben.«
    »Am Nachmittag des 10. November – Sie erinnern sich, daß er da nach einem Herzanfall zu Ihnen in die Praxis kam. Haben Sie ihm da Digitalin gegeben?«
    Dr. Penberthy schien ein paar Sekunden lang mit sich zu kämpfen. Dann drehte er sich zu seinem Schreibtisch um und holte ein dickes Buch heraus.
    »Ich spreche am besten ganz offen mit Ihnen«, sagte er. »Ja, ich habe ihm welches gegeben. Als er zu mir kam, ließen die Schwäche seiner Herztätigkeit und seine schwere Atemnot mir die Verabreichung eines Herzstimulans dringend notwendig erscheinen. Ich habe ihm etwas gegeben, worin eine geringe Menge Digitalin enthalten war, um ihm Erleichterung zu verschaffen. Hier ist das Mittel. Ich schreibe Ihnen die Zusammensetzung auf.«
    »Eine geringe Menge?« wiederholte Parker.
    »Sehr gering, und kombiniert mit anderen Substanzen, um den Nachwirkungen zu begegnen.«
    »Die Dosis war nicht so groß wie die, die man hinterher im Körper gefunden hat?«
    »Du lieber Himmel, nein – nicht annähernd. In einem Fall wie dem des Generals muß man Digitalin mit der allergrößten Vorsicht verabreichen.«
    »Es ist wohl nicht möglich, daß Sie bei der Zusammensetzung einen Fehler gemacht haben? Daß Sie ihm irrtümlich eine Überdosis gegeben haben?«
    »Diese Möglichkeit ist mir sofort in den Sinn gekommen, aber sowie ich Sir James Lubbocks Zahlen hörte, wußte ich, daß daran überhaupt nicht zu denken war. Die Dosis, die er verabreicht bekommen hatte, war enorm – über ein zehntel Gramm. Um aber ganz sicher zu gehen, habe ich meinen Digitalinvorrat genau überprüfen lassen, und es war über alles genau abgerechnet.«
    »Wer hat das für Sie gemacht?«
    »Meine Sprechstundenhilfe, eine ausgebildete Krankenschwester. Ich gebe Ihnen die Bücher und die Apothekerquittungen.«
    »Danke. Hat Ihre Sprechstundenhilfe das Mittel für General Fentiman zusammengestellt?«
    »Aber nein! Solche Mittel stelle ich selbst zusammen und halte sie fertig bei mir unter Verschluß. Wenn Sie die Sprechstundenhilfe fragen möchten, zeigt sie Ihnen das.«
    »Vielen Dank. Nun, als General Fentiman zu Ihnen kam, hatte er gerade einen schweren Herzanfall gehabt. Könnte der durch Digitalin hervorgerufen worden sein?«
    »Sie meinen, ob er vergiftet wurde, bevor er zu mir kam? Nun ja, bei Digitalin läßt sich das nicht so leicht sagen.«
    »Wie lange würde so eine große Dosis brauchen, um zu

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