Ärger mit dem Borstenvieh
hätte ein Gespenst gesehen.
»Der Rasen!« keuchte sie.
Ich stürzte ans Fenster — aber er war noch immer da und ich konnte nichts Ungewöhnliches daran entdecken.
»Er muß geschnitten werden!« erklärte sie.
Das war eine glatte Untertreibung.
»Zu spät dafür«, informierte ich sie. »Es wird bereits dunkel, wir müssen uns ums Melken kümmern, und außerdem ist heute Freitag. Keine Zeit mehr dafür.«
»Aber etwas muß getan werden«, insistierte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Ich hatte eine Idee: Wie wär’s, wenn wir die Schafe die Nacht über draußen ließen, damit sie das Gras fräßen? Wenn sie das abgegrast haben, wäre der Rasen ordentlich und kurz genug, um darauf Krocket spielen zu können.
Etwas mißtrauisch fragte Shirley: »Tatsächlich?«
«Meinst du, ich würde in solcher Angelegenheit die Unwahrheit sagen?«
Sie nickte bejahend, konnte aber mit keinem anderen Vorschlag aufwarten.
Es dauerte nur wenige Minuten, die Schafe, alle hundertfünfunddreißig, hineinzutreiben, weil sich natürlich die acht Waisenlämmer noch immer weigerten sich unter ihre gewöhnlichen Verwandten zu mischen. Blökend und rufend marschierte der ganze wollige Haufen an unserem Haus vorbei; hinter ihnen schloß ich das Gartentor und war ausgesprochen stolz auf meine Leistung.
Am nächsten Morgen bot unser Garten einen Anblick, der einer Filmszene aus dem Ersten Weltkrieg entnommen zu sein schien. Alles nur irgendwie Erreichbare hatten die Schafe abgefressen: Rosen, Geißblatt, Brombeerhecken — bis auf den Stiel war alles kahl! Noch schlimmer: in einem brachliegenden Blumenbeet war von unseren Kleinen ein Salatbeet angelegt worden, das ich völlig übersehen hatte; von den Schafen wurde es nicht mißachtet. Sie hatten sich sogar auf ihre Hinterbeine gestellt, um tiefhängende Zweige der Apfel- und Kirschbäume zu mampfen.
Nichts hatten sie ausgelassen, bis auf eins: das Gras war von ihnen verschmäht worden. Anstatt es abzugrasen, hatten sie den Rasen mit beachtlicher Gründlichkeit völlig verheert. Wir würden unseren Freunden erst Gummistiefel geben müssen, bevor sie dort spazierengehen konnten.
Shirley stieß einen spitzen Schrei aus, als sie des Anblicks gewahr wurde. Sie regte sich derart auf, daß ich befürchtete, unsere Gäste müßten draußen auf der Wiese schlafen und würden von ihr nicht ins Haus gelassen werden.
»Wahrscheinlich werden sie überhaupt nicht auf den Rasen achten«, versuchte ich sie zu beruhigen. Es war verlorene Liebesmüh.
Natürlich verlief dann alles ganz glatt. Als unsere Freunde ankamen, waren sie eher besorgt festzustellen, welchen Schaden der holprige Zufahrtsweg ihrem Auspuff zugefügt haben könnte, als auf den Zustand unseres Gartens zu achten, der noch nicht allgemein bekannt war. Sie fanden das Haus sehr schön, was auch stimmte, bewunderten unseren Viehbestand und ließen es sich gern gefallen, daß wir sie mit auf eine Safari um die Gebäude herum und bis an die Grenzen unseres Farmgeländes nahmen. Es stellte sich heraus, daß Robbie ein sehr geschickter Melker war. Noch nicht einmal einen flüchtigen Blick schenkten sie unserem Garten.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, beeilten wir uns sehr bei unseren Pflichten und machten mit ihnen anschließend einen Ausflug in die Umgebung. Nach einem Abstecher in die >Schmiede< kehrten wir zum Mittagessen wieder nach Hause zurück. Am frühen Nachmittag mußten sie bereits wieder in Richtung London abfahren. Erst als sie sich von uns verabschiedeten, entdeckte Robbie den Garten.
»Schafe sind dort eingebrochen?« fragte er mitleidig.
»Ruinieren die Arbeit von Monaten«, teilte ich ihm mit und nahm sein Bedauern entgegen, während sich Shirley große Mühe gab, nicht loszuprusten.
Ganz vorsichtig fuhren sie den steinigen Weg hinauf, an den wir uns inzwischen völlig gewöhnt hatten.
»Siehst du,« sagte ich selbstgefällig zu Shirley. »Alles ging prima.«
Die Sache wäre auch weiterhin prima gewesen, wenn meine Frau unser Geheimnis gewahrt hätte. Statt dessen platzte sie bei unserem nächsten Raubzug nach London mit der Wahrheit heraus. Zeitlich wunderbar abgestimmt, erfolgte die Enthüllung, als Robbie, selbst ein engagierter Hobbygärtner, seinesgleichen von meinem Unglück mit den in den Garten eingebrochenen Schafen erzählte. Natürlich konnte die rustikale Delila nicht an sich halten, ein öffentliches Geständnis mit passenden Verschönerungen abzulegen. So wurde ich im Handumdrehen
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