Aerzte zum verlieben Band 48
bei den meisten so, die nach Tarparnii kommen. Manche tun es, um ihre Batterien aufzuladen, andere laufen vor irgendwas davon, und wieder andere kommen her, weil sie einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben und hoffen, dass diese Arbeit ihnen hilft, ihn besser zu verkraften.“
Melora wurde immer unbehaglicher zumute. Sah Daniel ihr etwa an, worunter sie zu leiden hatte? „Und was willst du mir jetzt damit sagen?“, fragte sie steif.
„Dass wir ehrlich miteinander umgehen müssen. Hier im Dschungel, wo unser kleines Team sich um Hunderte von Menschen kümmern muss, ist es absolut erforderlich, dass wir uns aufeinander verlassen können und einander vertrauen. Wir müssen enge Freunde werden, und das innerhalb von kurzer Zeit. Und noch etwas ist äußerst wichtig: Wir sind nicht nur dazu verpflichtet, unsere Patienten zu versorgen, sondern auch, uns gegenseitig zu helfen und zu unterstützen.“
„Hat dir deine Arbeit denn geholfen, über B’lanas Tod hinwegzukommen?“
„Ich bin noch nicht darüber weg, aber ich bin jetzt in der Lage, ihn zu akzeptieren und damit zu leben. Und das hätte ich ohne die Hilfe meiner Freunde nicht geschafft. Ich vermisse B’lana immer noch, und das wird sich auch nie ändern, aber ich kann jetzt endlich wieder an die Zukunft denken. Und ich spüre, wie die große Wunde, die ihr Tod in mir gerissen hat, allmählich verheilt.“
Er trat näher auf Melora zu und sah sie eindringlich an. „Auch du bist nach Tarparnii gekommen, um neu anzufangen, und diese Insel wird dir helfen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Ich erwarte nicht, dass du dein ganzes Leben vor mir ausbreitest, Melora. Aber ich spüre, dass du unter irgendetwas leidest, was sich negativ auf deine Arbeit auswirkt. Deshalb möchte ich, dass du mir sagst, was dich bedrückt, denn nur wenn ich das weiß, kann ich dir auch helfen. Wenn du Probleme hast, mit Babys konfrontiert zu werden, könnte ich zum Beispiel dafür sorgen, dass dir andere Patienten zugewiesen werden.“
Melora atmete tief ein und wandte sich von Daniel ab. Er hatte recht, mit allem, was er sagte, doch es fiel ihr unwahrscheinlich schwer, sich einem Menschen anzuvertrauen, den sie noch gar nicht richtig kannte. Andererseits fühlte sie sich in Daniels Nähe sogar wohler als bei vielen ihrer australischen Kollegen, die sie schon seit Jahren kannte. Mit Leighton war sie zwei Jahre lang verlobt gewesen, und er hatte sie letztendlich tief enttäuscht.
„Du hast recht, hier auf Tarparnii ist wirklich alles anders, und gegenseitiges Vertrauen ist sehr wichtig, wenn man aufeinander angewiesen ist“, gestand sie schließlich ein. „Und was mein … Problem betrifft …auch diesbezüglich liegst du richtig. Auch ich wurde in gewisser Weise wie aus heiterem Himmel vom Blitz getroffen, so wie dieser schöne Baum. Ich habe das Gefühl, als hätte man mir alle Blätter ausgerissen und in alle Richtungen verstreut, und ich weiß nicht, ob mir jemals wieder welche wachsen, auch wenn ich … mich noch so sehr darum bemühe.“
Sie sah Daniel wieder an und hatte plötzlich das Gefühl, als fiele eine schwere Last von ihrer Seele. Auch wenn sie Daniel kaum kannte, tat es trotzdem gut, mit ihm zu sprechen, denn er schien genau zu spüren, was sie berührte und bewegte. „Wie dem auch sei, ich habe alle Tests bestanden und die Genehmigung für meinen Einsatz auf Tarparnii ohne Einschränkungen erhalten“, erklärte sie fest. „Mit anderen Worten, meine Ärzte haben mir grünes Licht gegeben, du brauchst dir diesbezüglich also keine Sorgen zu machen.“
„Deine Ärzte?“, wiederholte Daniel und runzelte die Stirn. „Warst du krank?“
„Ja, sehr krank“, gestand Melora und lächelte matt. „Ich kann selbst kaum glauben, dass ich noch heute Morgen in Australien war, und jetzt stehe ich mit dir vor diesem wundervollen Baum und versuche, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen, weil ich …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll …“
„Ist schon gut, Melora, lass dir Zeit.“
Daniel war vollkommen klar, dass sie jetzt noch nicht bereit war, alles von sich preiszugeben, aber das erwartete er auch nicht von ihr. Was mochte nur mit ihr passiert sein? Hatte sie vielleicht ein Kind verloren und es tat ihr deshalb weh, wenn sie Babys sah? Daniel betrachtete Melora eingehend – ihren blassen Teint und das blonde, ausgesprochen kurze Haar, und da kam ihm plötzlich ein Gedanke: Chemotherapie
Weitere Kostenlose Bücher