Aerzte zum verlieben Band 48
der Boote nach Europa zu ergattern. Aber es gibt dort keine Boote, und selbst wenn sie das Geld haben, um jemanden zu bezahlen, der sie mitnimmt, schicken die Länder sie meist wieder zurück. Danach befinden sie sich in einer schlimmeren Lage als vorher.“
Er zuckte mit den Schultern, eine vertraute Geste, die sie so gut kannte. „Die Menschen haben ihren Stolz, aber sie brauchen Hilfe. Die Malaria rafft immer noch ihre Kinder hin. Das Wasser ist unsauber. Das Lager, in das wir gehen, besteht noch nicht lange, und meine Kollegen sind jetzt ein Jahr dort. Ich löse einen der Ärzte ab, der dringend eine Pause braucht.“
„Was ist mit deinem Job im Krankenhaus?“
Dante blickte in die Ferne. „Als wir uns begegneten, schloss ich gerade die Ausbildung zum Kinderarzt ab. Erinnerst du dich?“
Wie könnte sie das je vergessen? Ihr Herz erinnerte sich an jeden einzelnen Moment.
„Geld war immer knapp, also habe ich nebenbei in der Reservearmee gedient, um die Kosten fürs Studium zusammenzubekommen.“ Er lächelte, und sekundenlang sah Alice wieder den verwegenen, unbeschwerten Mann vor sich, der sie damals in seinen Bann geschlagen hatte. Aber im nächsten Augenblick wurde sein Gesicht wieder zur ausdruckslosen Maske. „Nachdem ich meinen Facharzt gemacht hatte, wurde mir bewusst, dass ich mehr wollte, als nur an einem Krankenhaus zu arbeiten. Jetzt verdiente ich gut, aber das war mir nicht genug.“
Erwartungsvoll sah Alice ihn an.
„Ich hatte einen Freund im Krankenhaus, der mir von dieser Organisation erzählte und von der Arbeit, die sie leistete. Sie suchen ständig Vertretungsärzte, sagte er. Also habe ich mich verpflichtet, einmal im Jahr für vier Wochen hinzufliegen. Das mache ich in meinem Urlaub, aber es ist alles andere als Urlaub.“ Er warf ihr einen Blick zu. „Das Leben im Lager ist unvorstellbar hart.“
Schlimmer als das, was ich gerade erlebe, kann es ja wohl nicht sein, dachte sie.
„Und du?“, erkundigte er sich nach einer kurzen Pause. „Wie ist dein letztes Jahr gewesen? Warum hast du mir verheimlicht, was für ein Leben du führst?“
Alice holte tief Luft. „Ich weiß, ich hätte ehrlich sein sollen. Aber du hast gesehen, wie ich lebe, und als ich dich kennenlernte, wollte ich einfach nur Alice sein. Es war ein wunderschöner Traum, ein Traum, den ich mir bis zur letzten Minute bewahren wollte. Doch wir alle müssen irgendwann erwachsen werden.“ Ihr fiel ein, dass er damals gesagt hatte, jeder Mensch verdiene seinen Traum.
Dante blickte sie an und schüttelte den Kopf. „Das nennst du also erwachsen werden. Vielleicht hast du recht, cara . Früher oder später müssen wir alle unsere kindischen Träume aufgeben. Es war eine Urlaubsromanze, mehr nicht. Es ist Vergangenheit.“
Er nahm seinen Rucksack auf und schwang ihn sich auf den Rücken. „Dein und mein Leben sind grundverschieden. Ich habe Bilder von dir gesehen … immer auf Partys, auf Jachten oder beim Pferderennen. Man hat dich verhätschelt, bewundert, und du hast immer bekommen, was du wolltest. Ich glaube nicht, dass du mit den einfachen Freuden, die das Leben bieten kann, glücklich werden würdest: ein Heim, eine Familie, Kinder.“
Das ärgerte sie gewaltig. „Woher willst du wissen, was ich möchte?“, fuhr sie ihn an.
Sekundenlang maßen sie sich mit zornigen Blicken, dann fing Dante schallend an zu lachen. „ Bellissima , hast du ein Temperament! Du könntest es jederzeit mit einer Italienerin aufnehmen.“ Er half ihr, den Rucksack zu schultern. „Wir sollten weitergehen, wir müssen noch eine ordentliche Strecke schaffen, ehe wir unser Lager aufschlagen können.“ Über die Schulter warf er ihr einen Blick zu. „Was ist denn falsch daran, sich eine Familie und Kinder zu wünschen? Schließlich ist es das Normalste der Welt.“
Alice geriet stark in Versuchung, ihn am T-Shirt zu packen und zu schütteln. Doch sie riss sich zusammen. Wenn man ihr eins beigebracht hatte, so war es die Fähigkeit, sich zu beherrschen.
„In zwei Stunden machen wir die nächste Pause. Mittagessen“, fügte Dante hinzu, ehe er losmarschierte.
Besänftigt lächelte Alice vor sich hin. Die Italiener aßen gern und gut. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie sich ausmalte, was seine Mutter ihm mitgegeben hatte. Vielleicht verschiedene Sorten Pasta oder Ravioli mit Pilzen und Auberginen gefüllt. Aber zuerst eine Suppe, eine Minestrone, wie nur Italienerinnen sie zaubern können. Danach köstlich
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