Aerzte zum verlieben Band 48
sie Dantes Gesicht deutlich erkennen. Er sah müde aus, anscheinend war er die ganze Nacht gefahren.
„Schon okay, du musstest schlafen. Wir sind bald da.“
Im Wagen herrschte trotz der frühen Stunde schon stickige Backofenhitze, dazu kamen noch die hohe Luftfeuchtigkeit und der allgegenwärtige Staub. Alice klebte die Kleidung am Körper, Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten herab, und wahrscheinlich war ihr Haar schrecklich zerzaust. Sie sehnte sich nach einer kalten Dusche.
Das Schütteln und Rütteln hörte abrupt auf, der Lastwagen hielt.
Dante sprang hinaus, ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Er streckte ihr die Hand entgegen und half ihr beim Aussteigen. Sie war ihm dankbar dafür. Ihr taten sämtliche Glieder weh, und sie war steif von der langen Fahrt.
Erst nach ein paar Schritten sah sie sich neugierig um – und schnappte entsetzt nach Luft.
Zelte und andere provisorische Unterkünfte erstreckten sich, soweit das Auge reichte. Unzählige Menschen hockten am Boden und sahen mit stumpfen Blicken zu ihnen herüber. Alice entdeckte Esel und Ziegen, einige wurden gerade von Frauen gemolken. Andere Frauen transportierten auf dem Kopf Feuerholz und Wasserbehälter.
Alice schluckte. Wie sollen wir so viele Menschen versorgen?
Da kam eine Horde aufgeregter, lachender Kinder angerannt, und schon waren sie von kleinen dunkelhäutigen Gestalten umringt. Dante hob zwei der Kleinsten auf die Arme. Die Kinder machten einen ungeheuren Lärm, und Alice stand verwirrt da.
Eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren kam auf sie zu. „Wie schön, dass du wieder da bist, Dante. Du hast uns gefehlt.“
Er grinste breit, zog sie in die Arme und drückte sie herzlich. „Linda, wie geht es dir?“ Dann folgte ein italienischer Wortschwall, von dem Alice nichts verstand, und Linda lachte und drehte sich zu ihr herum.
„Sie müssen Alice sein. Wir haben gehört, dass jemand von der Spendenorganisation herkommt, um sich persönlich ein Bild von den Umständen zu machen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr wir uns freuen, Sie und Dante hier zu sehen.“
Trotz der warmherzigen Begrüßung merkte Alice, dass Linda sie prüfend musterte. Natürlich war der Italienerin nicht entgangen, dass Alices Halstuch von Hermès war und dass sie Designerjeans und – bluse trug und Stiefel, die hier völlig fehl am Platz wirkten. Wahrscheinlich überschlug sie im Kopf, dass man mit dem Geld für Alices Kleidung einen ihrer Schützlinge ein ganzes Jahr lang ernähren könnte.
„Alice, das ist Linda“, stellte Dante vor. „Sie ist verantwortlich für die pflegerische Leitung und ein wahres Organisationstalent.“
„Wir haben neue Impfstoffe bekommen und jetzt alle Hände voll zu tun“, erklärte Linda, während sie Alice die Hand schüttelte. „Leider muss ich Ihnen Dante gleich entführen. Sie sind sicher müde von der Fahrt, vielleicht wollen Sie sich ein bisschen ausruhen.“
„Nein, mir geht’s gut, wirklich. Sagen Sie mir, was ich tun soll.“
Linda warf ihr einen anerkennenden Blick zu. „Großartig. Ich zeige Ihnen, wo Sie unterkommen, damit Sie Ihre Sachen hinbringen und sich ein wenig frisch machen können.“
Aber bevor Alice ihre Tasche nehmen konnte, griff Dante danach und hängte sie sich zu seiner eigenen über die Schulter.
„Wie ist es euch ergangen?“, fragte er Linda, als sie losmarschierten. Die Kinderschar folgte ihnen, und unerwartet schlüpfte eine kleine Hand in Alices Hand.
„Ganz gut. Leider beginnt bald die Malariasaison. Mir wäre sehr viel wohler, wenn wir mit den Impfungen gegen alles andere bis dahin fertig wären. Sobald die Regenzeit richtig losgeht, wird es mit dem Impfstoffnachschub schwierig.“
Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft schaute Alice sich um. Die meisten Behausungen bestanden größtenteils aus Pappkartons, oder es waren kleine Hütten aus Holzstangen und Plastikplanen. Ein Kind in einem zerrissenen T-Shirt zog einen selbst gebauten Lastwagen aus zerbeultem Blech hinter sich her. Auch wenn der Film, den Dante bei der Spendengala gezeigt hatte, all dies nicht verschwiegen hatte, so war die Wirklichkeit doch viel bedrückender.
„Wie viele Mitarbeiter sind hier noch?“, fragte Alice.
Linda drehte sich um. „Außer mir zwei weitere Krankenschwestern, Hanuna und Dixie, dann Pascale, die Ärztin, und Costa, unser Entwicklungshelfer. Wir kommen aus allen Teilen der Welt. Einige Lagerbewohner, die schon eine Weile hier sind, helfen auch mit. Also sind
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