Aerzte zum verlieben Band 55
einem kleinen Nachtlicht schlafen, aber nicht unter dem taghellen Schein von drei Sechzig-Watt-Birnen. Ich lebe im Halbdunkel, Hayley. So furchterregend ist es gar nicht.â
Schaudernd verdrängte Hayley die Vorstellung.
Tom strich mit warmen Lippen über ihre Schulter. âWer ist Amy?â
Nein! Sie schlug die Bettdecke zurück. âSchlaf weiter, Tom.â
Hayley streifte ihr Nachthemd über und lief in die Küche. Unterwegs drückte sie jeden Lichtschalter, den sie erreichen konnte, bis die gesamte Wohnung strahlte wie ein Weihnachtsbaum. Mit zitternden Händen füllte sie den Wasserkocher, stellte ihn an, riss Schranktüren auf, schlug sie frustriert wieder zu.
âWas suchst du?â Tom stand hinter ihr, in Boxershorts und einem T-Shirt, das sich an seine breite muskulöse Brust schmiegte wie eine zweite Haut. Er sah aus wie ein Model für Männerunterwäsche.
Was ihre Panik auch nicht milderte. âKamillentee, Pfefferminztee, irgendeinen verdammten Tee!â
Um seinen Mundwinkel zuckte ein Lächeln. âHabe ich nicht.â
Hayley war drauf und dran, in Tränen auszubrechen. âWarum nicht?â
Er streckte den Arm aus, berührte ihren und zog Hayley an sich. âWas hältst du von heiÃer Milch mit Brandy? Die Schwestern schwören darauf, um verwirrte alte Damen zu beruhigen, die versuchen, über ihr Bettgitter zu klettern.â
âIch bin nicht verwirrt!â, fuhr sie ihn an. Tom hatte einen wunden Punkt getroffen, ihre gröÃte Angst von allen â verrückt zu werden.
Sanft strich er ihr übers Haar. âSonst nicht, aber heute Nacht schon. Und ich vermute, dass du so etwas schon öfter erlebt hast. Macht es dich nicht allmählich kaputt?â
Oh ja. Der mitfühlende, fast liebevolle Unterton brach etwas in ihr auf. Hayley fing an zu weinen. âIch bin so müde, Tom. So unglaublich müde.â
Tom legte beide Arme um sie. Sie spürte seine Lippen, den zärtlichen Kuss, den er ihr aufs Haar drückte, und die Kraft, die von ihm ausging. Hayley hätte für immer so stehen bleiben können. So beschützt hatte sie sich seit Jahren nicht mehr gefühlt.
SchlieÃlich lieà er die Arme sinken und sagte: âSetz dich aufs Sofa, ich bringe dir eine warme Milch.â
Lass nur, ich mache das schon , lag ihr auf der Zunge, aber er wirkte so entschlossen, dass sie die Worte wieder hinunterschluckte. Hayley kuschelte sich in eine Sofaecke und deckte sich mit einer leichten Fleecedecke zu. Und dann traf sie eine Entscheidung.
Tom nahm den Becher mit der heiÃen Milch in die Hand. Die Milch zu erhitzen, war noch einfach gewesen. Schwierig wurde es, sie zu Hayley zu tragen, ohne sie zu verschütten. Wenn er die Küche verlieÃ, waren es zwölf Schritte bis zur Couch. Er ging los, versuchte, ruhig und entspannt vorwärts zu gehen. âWo bist du?â
âAuf der rechten Seite der Couch.â
Er wechselte die Richtung und zählte die nächsten fünf Schritte. Wenigstens klang ihre Stimme kräftiger als vor ein paar Minuten, und bisher hatte er sich keine heiÃe Milch über die Finger gegossen. Es geschahen noch Wunder. Tom streckte die Hand mit dem Becher aus. âBitte.â
âVielen Dank.â Ihre Finger streiften seine, als sie ihm die Milch abnahm. Gleich darauf fing Hayley an zu husten. âWie viel Brandy ist hier drin?â
Anscheinend zu viel. Er ärgerte sich, dass er keine Vorstellung davon hatte, wie viel er hineingegossen hatte. Er hatte ihr etwas Gutes tun wollen. Stattdessen musste sie husten wie eine Asthmatikerin! Tom setzte sich zu ihr. âErzähl mir von Amy.â
Ihr Seufzer kam aus tiefster Kehle. âAmy ist meine â¦â Sie schluckte, dann stieà sie hervor: âAmy war meine Zwillingsschwester. Sie starb ganz plötzlich, als ich elf war.â
âDas tut mir leid.â
âJa.â Sie klang traurig und resigniert. âEs ist schon lange her. Zu lange.â
Nein, die Zeit heilt nicht alle Wunden. âDadurch wird es nicht leichter.â
âIch vermisse sie immer noch. Ich weiÃ, dass das nicht sein kann, aber so ist es.â
Hayley schwieg, und er wünschte, er könnte ihr Gesicht sehen. Dann hörte er sie tief Luft holen.
âElf Jahre meines Lebens war ich glücklich. Amy war meine beste Freundin, mein Gewissen und meine zweite Hälfte. Manches brauchten wir
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