Aerzte zum verlieben Band 55
nicht einmal auszusprechen, wir wussten einfach, was der andere dachte. Einmal war sie mit Dad los, um ein Geburtstagsgeschenk für mich zu kaufen. Sie kam mit dem gleichen nach Hause, das ich für sie ausgesucht hatte.â
âWart ihr eineiige Zwillinge?â
âJa.â Sie schwieg kurz. âIch bin zwanzig Minuten älter als sie und habe meine Verantwortung als groÃe Schwester sehr ernst genommen.â
Er lächelte. âKann ich mir vorstellen.â
âWillst du damit sagen, dass ich herrisch bin?â
Er streckte die Hand aus, bis er ihr Bein berührte, und drückte es sanft. âDu weiÃt, was du willst, und das ist kein Verbrechen.â
âIch glaube, ich habe mein Leben auch für Amy gelebt.â Ihre Stimme klang brüchig, und dann nahm Hayley seine Hand, klammerte sich buchstäblich daran. âEines Abends kroch sie zu mir ins Bett. Mir ist so komisch, sagte sie. Wir waren auf einer Geburtstagsparty gewesen und hatten ziemlich viel SüÃkram und Chips gegessen. Mum hat immer groÃen Wert auf gesunde Ernährung gelegt, wir wollten sie nicht aufregen. Also habe ich Amy in die Arme genommen, und wir sind eingeschlafen. Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, um 3.03 Uhr. Amy lag immer noch neben mir, aber â¦â
Sie quetschte ihm fast die Finger, doch Tom lieà sich nichts anmerken. Endlich verstand er ihre panische Angst vorm Dunkeln. Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen und ändern, was passiert war â dass sie mit ihrer toten Schwester im Arm aufgewacht war. Tom hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie sanft.
âSie ist an bakterieller Meningitis gestorben, und ich habe mich nicht einmal angesteckt.â Ihre Stimme drohte zu kippen, dann fing Hayley sich wieder. âLange Zeit wollte ich es nicht wahrhaben, dass sie tot ist. Meine Eltern waren untröstlich, und ich tat alles, um ein gutes Kind zu sein und ihnen nicht noch mehr Kummer zu machen. Ich fühlte mich schuldig, weil ich noch am Leben war und sie nicht. In der Schule war ich fleiÃig, ich ging nicht auf Partys, hatte keinen Freund. Nachts konnte ich nicht schlafen. Irgendwann habe ich es mir angewöhnt, tagsüber hier ein Viertelstündchen, dort eine halbe Stunde zu schlafen.â Sie lachte hohl. âIch fand heraus, dass ich weniger Albträume habe, wenn ich bei voller Beleuchtung schlafe.â
âDu bist chronisch erschöpft.â Tom streichelte ihre Hand. Sie ist eine intelligente Frau und eine erstklassige Ãrztin, dachte er. Aber sie hat noch nicht erkannt, dass sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. âMich stört es nicht, wenn du bei Licht schläfst. Doch im Grunde hilft es dir nicht weiter.â
Sie lieà seine Hand los. âIch weià schon, was für mich am besten ist.â
âHayley, du hast mir selbst erzählt, wie fertig du bist. Wenn du dich damit nicht befasst, wirst du eines Tages völlig zusammenbrechen.â
âAch, jetzt bist du plötzlich Psychiater?â
Ihre sarkastische Antwort traf ihn, aber er blieb ruhig. âNatürlich nicht. Und selbst wenn ich noch operieren könnte, an deinem Zustand könnte ich nichts ändern.â Tom schloss einen Moment die Augen, sammelte Kraft, um ihr etwas zu erzählen, das er noch keinem Menschen anvertraut hatte.
Du vertraust nie jemandem etwas an.
Aber er wusste auch, dass er Schwäche zeigen musste, um ihr zu helfen. âNach dem Unfall wollte ich lieber tot sein als blind. Ich konnte nicht mehr sehen, aber wenn ich die Augen schloss, durchlebte ich in allen Einzelheiten, was passiert war â den Schock, als der Wagen mich rammte, den kalten Luftzug, als ich auf meinem Rad durch die Luft flog, das schreckliche Geräusch, als mein Kopf auf den Asphalt prallte. All das stieà mich in ein tiefes schwarzes Loch, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gab. Widerstrebend entschied ich mich schlieÃlich zu einer Hypnosetherapie.â
âIm Ernst? Das kann ich mir bei dir kaum vorstellen!â
âIch auch nicht, aber es war immerhin besser, als mit jemandem über meine Gefühle zu reden, der keine Ahnung hatte, wie es in mir aussah.â
Auf einmal war es ihm unendlich wichtig, dass sie sich professionelle Hilfe suchte. Er wollte, dass es ihr gut ging, dass sie ihr Leben wieder richtig genieÃen konnte. Tom beugte sich zu ihr, atmete den zitronigen Duft
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